Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Ukraine
Umgehungsverhinderungsmassnahmen
des Bundesrats



Am 24.02.22 hat der russische Diktator Putin, ein ex-KGB-Agent der Sowjetunion, mit 150‘000 Soldaten, Panzern, Kampfflugzeugen, Kanonen und Raketen die Ukraine überfallen.

Es ist der erste militärische Überfall auf ein Nachbarland in Europa seit dem Überfall von Hitler auf Polen am 01.09.39 und von Stalin auf Polen am 17.09.39.

EU und NATO hatten sich entschieden, der Ukraine militärisch nicht beizustehen.

Das war eine ausserordentliche Konzession an Putin, die ihn aber nicht vom Überfall abgehalten hat.

Im Gegenteil dürfte sie ihn in seinen aggressiven Plänen bestärkt haben, in der Meinung, der Westen lasse ihm freie Bahn wie 2008 beim Krieg gegen Georgien, 2014 bei der Annexion der Krim und der nachfolgenden Eröffnung des Kriegs im Donbass.

Im Blick auf den aggressiven Charakter des russischen Diktators, seine unterwürfigen Helfershelfer Lawrow, Peskow, Schoigu, Naryschkin, Bortnikow, Patruschew etc. und seine bekannten Lügen war die Konzession wahrscheinlich ein Fehler.

Die Folge ist ein brutaler Krieg in Europa.

Immerhin haben die EU und ihre Alliierten am Tag des Angriffs auf die Ukraine, am 24.02.22, mit wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Kremlherrscher reagiert.

Wirtschaftliche Sanktionen der EU

Die Sanktionen betreffen fünf Felder:

  • Finanzsektor: 70% des russischen Bankenmarkts, die russischen Staatsunternehmen und das Militär werden vom EU-Finanzmarkt ausgeschlossen. Die russischen Oligarchen rund um Putin können ihre Milliarden nicht mehr auf europäischen Konten deponieren.
  • Energie: das notwendige technische Material aus europäischer Produktion für den Betrieb der russischen Ölraffinerien wird nicht mehr geliefert. Ölgeld ist die Hauptquelle Putins, um seine Armee zu bezahlen.
  • Transport: Flugzeuge und das für den Flugbetrieb notwendige technische Material werden nicht mehr geliefert. 75% der russischen Zivilluftflotte stammen aus der EU und den USA.
  • Spitzentechnologie: Halbleiter und andere IT-Spitzentechnologie werden nicht mehr geliefert.
  • Visa: russische Geschäftsleute und Diplomaten verlieren ihre Visaprivilegien.

Den EU-Sanktionen der 27 europäischen Länder haben sich die folgenden Alliierten angeschlossen: USA, UK, Kanada, Norwegen, Südkorea, Japan, Australien.

Was macht der Bundesrat?

Nicht unter den Beteiligten ist die Schweiz.

Der von der anti-europäischen SVP/FDP-Koalition dominierte Bundesrat lehnt wirtschaftliche Sanktionen gegen Putin und seine Oligarchen ab.

Am 24.02.22 teilt FDP-BR Cassis der Öffentlichkeit sybillinisch mit, nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 habe die Schweiz die EU-Sanktionen „aus Neutralitätsgründen“ nicht „direkt“ übernommen. Die von der EU jetzt erlassenen Sanktionen sollen in Form von „Umgehungsverhinderungsmassnahmen“ „grundsätzlich“ übernommen werden.

Schon am 22.02.22 hatte EDA-Staatssekretärin Leu erklärt, die Schweiz ergreife keine Sanktionen gegen Russland. Der Bundesrat schliesse sich den Sanktionen von EU und USA nicht an.

Unterstützt wird sie darin vom aussenpolitischen Sprecher der SVP, Putinversteher NR Franz Grüter. Grüter ist Verwaltungsratspräsident von green.ch. Laut Mitteilungen in den Medien ist green.ch Lieferant des russischen Gazprom-Konzerns.

Putinversteher SVP-NR Roger Köppel, feiert am Tag des Überfalls, am 24.02.22, den russischen Diktator in seiner Zeitung als «Missverstandenen“, der für Qualitäten stehe „Tradition, Familie, Patriotismus, Krieg, Religion, Männlichkeit, Militär, Machtpolitik und nationale Interessen.»

Putin-Versteher SVP-BR Maurer erklärt im Schweizer Fernsehen am 24.02.22 Putin sei „ein strategischer Kopf.“

Er folgt damit dem Ex-US-Präsidenten Trump, der Putin einen „genius“ nannte. Nicht überraschend, Trump und Maurer haben dieselbe rechtsnationale Weltanschauung.

Maurer meint: „Putin hat seine Ziele, die er verwirklichen will. Er hat das in den letzten Jahren immer wieder bewiesen. Er hat ja auch Aussenminister Sergei Lawrow an seiner Seite, einen der besten Aussenminister».

Tillerson, US-Aussenminister, sagte 2017: “You cannot tango with Lavrov because he is not allowed to dance.”

Putin führt Lawrow an der kurzen Leine und lässt ihn bellen. Lawrow hat sich im Dienste des Diktators wie die übrigen Oligarchen ein riesiges Vermögen verschafft.

Putin beseitigt die freie Presse und die Opposition. Sein Polizeistaat bedient sich politischer Morde, Vergiftungen und Inhaftierungen. Er hat 2008 Georgien angegriffen, 2014 die Krim und die Ostukraine annektiert. 2016 bombardiert er für den syrischen Diktator Assad die Stadt Aleppo in Grund und Boden.

Die Belobigungen des russischen Diktators und seines Gehilfen macht SVP-BR Maurer am Tag des Überfalls, nachdem Putin in Hassreden der Ukraine das Recht abgesprochen hat, eine eigenständige Nation zu sein und den russischen Überfall als "Entnazifizierung" hinstellte.

SVP-BR Maurer gehört der grössten Partei im Parlament an. In seinem Präsidialjahr 2020 besuchte er keine Vertreter Europas, wohl aber – entsprechend der SVP-Ideologie - Trump, Xi Jinping, Putin und Salman von Saudi-Arabien.

Die Mehrheit der Regierung, die bundesrätliche SVP/FDP-Koalition, folgt seit 2018 den Vorgaben der rechtsnationalen SVP.

Die Taktik des russischen ex-KGB-Manns zu täuschen, zu tarnen, zu lügen, irrezuführen und abzulenken hat unter den SVP-Anhängern in Bundesrat und Parlament die grösste Wirkung.

Leute im Westen, welche die russische Propaganda übernehmen und verbreiten, stellen sich in den Dienst des kriegführenden Despoten.

Das müsste allen Schweizerinnen und Schweizern, die in einem freiheitlichen Land leben wollen, zu denken geben.

Neutralitätspolitik?

Die Schweiz ist wegen der Übernahme sog. Schutzmachtmandate postalische Verbindungsstelle zwischen Russland/Georgien, USA/Kuba und USA/Iran.

Wegen dieser administrativen Aktivitäten für Grossmächte, sog. Gute Dienste, will sich der Bundesrat laut EDA-Staatssekretärin Leu nicht an Sanktionen gegen den Aggressor Putin beteiligen.

Die Schweiz ist Drehscheibe des internationalen russischen Rohstoffhandels. Die russischen Oligarchen rund um Putin haben Milliardenvermögen in der Schweiz gelagert. Putin, seine Klientel und das Schweizer Business schätzen diese ‚Guten Dienste‘ mehr als die Administration des Schutzmachtmandats.

Keinen Rubel, keinen Euro, keinen Dollar können die Kollaborateure und Profiteure des Regimes ohne Zustimmung und Lizenz des russischen Diktators aus Russland abschleppen und in der Schweiz deponieren und investieren. CH-Treuhänder, CH-Vermögensverwalter, CH-Firmen, etc. verkaufen das nötige Know How und stellen sich als Stromänner zur Verfügung.

Das weiss das EDA bei der Formulierung seiner sinnentleerten Neutralitätspolitik.

Dass Putin der Ukraine das Existenzrecht als Staat abspricht und mitten in Europa einen Krieg gegen ein 44-Millionen-Volk mit vielen Toten auslöst, hat für das EDA kein Gewicht. Seine administrative Briefträgerfunktion ist nach Ansicht des EDA wichtiger und im höheren Interesse der Schweiz.

FDP-BR Cassis und EDA-Staatssekretärin Leu leisten ‚Gute Dienste‘ für den russischen Diktator und Aggressor Putin und ‚Schlechte Dienste‘ für die ukrainische und die Schweizer Bevölkerung, die sich beide dem Völkerrecht, der Freiheit und der Selbstbestimmung verpflichtet fühlen.

Eine Regierung, die ihr Land einem kriegführende Diktator und seiner Clique als finanzielle Fluchtburg und Businesshub anbietet, betreibt keine Neutralitätspolitik. Da nützen alle anderslautenden verbalen Pirouetten aus dem EDA nichts.

Vermittlerrolle?

Das EDA beruft sich auf seine neutralitätspolitische Vermittlerrolle in Konflikten.

Indessen ist seit vielen Jahren kein Konflikt bekannt, in welchem die Konfliktparteien das EDA oder den Bundesrat oder die Schweiz als Vermittler angerufen hätten. Auch die OSZE oder UN oder andere Organisationen haben die Schweiz nie als Vermittler bemüht.

Wenn sich Bundesräte der SVP/FDP-Koalition nach Genf begeben, um am dortigen UN-Sitz Präsidenten und anderen Mächtigen der Weltpolitik die Hand zu schütteln, sind sie Rezeptionisten des Gastlandes der UN, aber keine Vermittler.

Mit der Präsentation vor den Flaggen versuchen sie allerdings medial im Inland die Illusion wecken, sie hätten weltpolitische Bedeutung und seien Vermittler.

Vermittlung braucht Anerkennung durch die Konfliktparteien. Eine solche existiert nicht.

Die Vermittlungsfunktion der Schweiz bleibt eine Fiktion. Dass sich das EDA permanent eine solche Rolle zuschreibt, ist eine Selbsttäuschung zwecks innenpolitischer Existenzabsicherung.

Sie wird von der aktuellen SVP/FDP-Bundesratsmehrheit aufrechterhalten, um nach innen und aussen die Ablehnung der europäischen Integration entsprechend den Vorgaben der rechtsnationalen SVP zu rechtfertigen.

Schutzschild für russische Oligarchen

In der Schweiz leben zahlreiche russische Oligarchen aus dem Umfeld von Putin. Rund ein Drittel des russischen Auslandsvermögens lagert in der Schweiz.

International bekannte Oligarchen sind u.a.: Abramov, Abramovich, Alekperov, Blavatnik, Deripaska , Fridman, Kerimov, Lisin, Medvedchuk, Melnichenko, Mikhelson, Mordashov, Potanin, Prokhorov, Rotenberg, Rybolovlev, Shvidler, Tinkov, Usmanov, Vekselberg.

Die Gefolgsleute von Putin besitzen prunkvolle Villen in vielen westlichen Ländern, Luxusjets und Luxusyachten für sich und ihre Familien und Freunde.

Grosse Teile ihres Milliardenvermögens, das sie dem russischen Volk nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion abgenommen haben, deponieren sie in Schweizer Banken und auch in Schweizer Immobilien. Über die Börse beherrschen sie internationale Konzerne. Sie kaufen Fussballclubs und lassen ihren Nachwuchs in Schweizer Instituten ausbilden.

Russische Staatsunternehmen und russische Grossbanken, die den Oligarchen um Putin gehören, betreiben Firmen in der Schweiz, vor allem im internationalen Rohstoffhandel und am Finanzmarkt zur Finanzierung des Rohstoffhandels. Beispiele sind die Sberbank, die VTB-Bank und die milliardenschwere Aktiengesellschaft Nordstream 2 mit Sitz im Kanton Zug.

Die Schweiz ist das Zentrum des internationalen russischen Rohstoffhandels auch deswegen, weil der Rohstoffhandel hierzulande nicht den Geldwäscherei-Vorschriften unterstellt ist.

Die Schweizer Business- und Finanzwelt hat die russischen Oligarchen und ihre Milliarden mit offenen Armen empfangen. Schweizer Banken und Finanzgesellschaften sind in der Finanzierung des russischen Rohstoffhandels aktiv.

Schweizer Banken finanzieren der Klientel des Diktators ihre riesigen Luxusyachten und Airbuspri-vatflugzeuge.

Der Bundesrat unterstützt die Aktivitäten mit einer neuen Botschaft bei Lukaschenko in Weissrussland und einem Ausbau der Schweizer Botschaft bei Putin in Moskau.

Die Schweizer Botschaft in Moskau meldet stolz in ihrem Jahresbericht : "Die Schweiz ist für wohlhabende Russen seit Jahren weltweit mit Abstand die wichtigste Destination für die Verwaltung ihrer Vermögen."

Beide diktatorischen Regimes waren in den vergangenen Jahren gern besuchte Reiseziele von Regierungsmitgliedern aus der SVP/FDP-Koalition. Putinversteher.

Das sind die realen materiellen Gründe, weshalb der Bundesrat die russischen Oligarchen und deren russische Unternehmen in der Schweiz mit Samthandschuhen anfasst.

Kein Teil der europäischen Wertegemeinschaft

Die Rechnung wird allerdings nicht aufgehen. CH-Finanzinstitute, CH-Unternehmen und mit Putin verbundene Personen in der Schweiz werden auf EU-/US-Sanktionslisten landen.

Anstatt dass sich unsere Landesregierung aus Überzeugung für eine freiheitliche europäische Ordnung einsetzt und in eigener Kompetenz solidarisch Sanktionen anordnet, will sie im EU-Nachvollzug unter der Bezeichnung „Umgehungsverhinderungsmassnahmen“ per Verordnung unilateral EU-Recht übernehmen. Im Ergebnis kommt es aufs selbe heraus.

Der bürokratische verbale Eiertanz ist der rechtsnationalen Weltanschauung der SVP/FDP-Mehrheits-Koalition im Bundesrat geschuldet. Komme, was wolle – auch ein Krieg in Europa, stets geht es um die Abgrenzung zur EU, dem Feindbild der SVP. Solidarität der Schweiz in Europa ist nach dieser Ideologie schlimmer als ein Krieg. Einfach nur peinlich.

Die Reputation unseres Landes in westlichen Demokratien wird beschädigt. Vielleicht kommt Zustimmung von Putin und Xi Jinping, wenn die beiden Diktatoren überhaupt verstehen, was den Bundesrat zu seinen verbalen Pirouetten antreibt.

Die Schweiz gilt unter der seit sieben Jahren dominierenden SVP/FDP-Koalition international mehr und mehr als Servicestelle, Lagerplatz und Fluchtort für Diktatoren, Oligarchen, Rohstoffhändler, Milliardäre und deren Geld. Die kürzlich weltweit publizierten „Swiss Secrets“ sprechen Bände.

Hört man der aktuellen Regierung in der Ukrainekrise und im Verhältnis CH/EU zu, bleibt der Eindruck, die Schweiz wolle nicht Teil der freiheitlichen europäischen Wertegemeinschaft sein. Eine irregeleitete Aussenpolitik.

Ob sie immer noch dem Willen der Schweizerinnen und Schweizer entspricht, müssen die nächsten Wahlen zeigen.

25.02.2022

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