Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Trumps Atomwaffenpolitik,
Schweizer Atomwaffenpolitik


Die US Marine verfügt über 14 atomwaffentragende U-Boote im aktiven Dienst.

Jedes dieser U-Boote hat atomare Sprengköpfe an Bord, welche die Sprengkraft aller im 2. Weltkrieg abgeworfenen Bomben um das 10-fache übertreffen.

Atomsprengköpfe

Zwei Drittel der US-Atomsprengköpfe befinden sich auf U-Booten der US-Navy. Abschossen werden sie mit Trident-Langstrecken-Raketen.

Insgesamt verfügt die US-Navy auf U-Booten, Schiffen und Flugzeugen über mehr als 1‘500 Atomsprengköpfe vom Typ W76.

Jeder hat eine Sprengkraft von 90 Kilotonnen.

90 Kilotonnen sind das Sechsfache einer einzelnen Hiroshima-Atombombe.

Dazu kommen gegen 400 weitere Atom-Sprengköpfe vom Typ W88, auch auf U-Booten, Schiffen und Flugzeugen montiert.

Jeder hat eine Sprengkraft von 455 Kilotonnen. 455 Kilotonnen sind das 30-fache einer einzelnen Hiroshima-Atombombe.

Das letzte Drittel der Atomsprengköpfe des US-Militärs befindet sich an Land, montiert auf Minuteman III ICBM-Langstrecken-Raketen, und in der Luft, montiert auf B-52 und B-2 Bombern.

Neue Atomsprengköpfe

Erstmals seit Ende des Kalten Kriegs ordnet ein US-Präsident die Produktion neuer zusätzlicher Atomsprengköpfe an (Typ W93).

Trump verlangt dafür vom US-Kongress, kurz vor den Wahlen im November 2020, für ein erstes Budget 2021 14 Milliarden $. Insgesamt soll das bis ca. 2035 laufende Atom-Aufrüstungsprogramm ca. 1 Billion $ US-Steuergelder in Anspruch nehmen.

Trump tut dies, obwohl die vorhandenen Atomwaffen der USA, Russlands und Chinas bereits bei weitem ausreichen, um die gesamte Weltbevölkerung auszulöschen.

Mit im Boot ist UK-Premierminister Boris Johnson. Er lässt seine Leute im US-Kongress für eine rasche Beschaffung zusätzlicher Atomsprengköpfe lobbyieren. Er möchte sie in den vier Trident-U-Booten Grossbritanniens montieren, zwecks Wiederherstellung der alten imperialen Grösse seines Landes.

Um die Atomaufrüstung zu ermöglichen, hat die Trump-Administration bereits drei Atomwaffen-Abkommen aufgekündigt. Das vierte, das Start-Abkommen von 2010, läuft im Februar 2021 aus. Die Trump-Administration lehnt eine Verlängerung ab.

Atomares Wettrüsten

Die einseitigen Trump‘schen Kündigungen des Atomabkommens mit Iran (2018) und des Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme mit Russland (2019) haben das neue atomare Wettrüsten besonders befeuert.

Natürlich sind auch Russland und China in der Atomwaffenaufrüstung nicht untätig. Beide betreiben nukleare Aufrüstung. Putin lässt neue Interkontinentalraketen, Überschallwaffensysteme, Torpedos und Marschflugkörper produzieren und mit Atomsprengköpfen ausrüsten.

China hat sich laut dem Friedensforschungsinstituts SIPRI zum zweitgrößten Waffenproduzenten der Welt entwickelt.

Mehr Waffen produzieren nur die USA. China hat an Land 190 ballistische Dong- Feng-Raketen für über 200 Atomsprengköpfe und baut kräftig aus. Auf See werden Marschflugkörper für Atomsprengköpfe vorbereitet.

Die drei Autokraten in Peking, Moskau und Washington setzen die unselige Atomkrieg-Spirale 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs wieder voll in Gang.

Atomwaffensperrvertrag

Unter Artikel VI des internationalen Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen von 1968 (Atomwaffensperrvertrag) haben sich die Atommächte verpflichtet,

„in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Massnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung und strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“.

Die Schweiz ist 1977 dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten

Trump, Putin und Xi Jinping machen heute, 50 Jahre nach Abschluss des Atomwaffensperrvertrags, das genaue Gegenteil. Alle drei setzen in ihrem ungebremsten persönlichen Machtstreben auf ein neues nukleares Wettrüsten.

Der Atomwaffensperrvertrag erinnert an die „Verwüstung, die ein Atomkrieg über die ganze Menschheit bringen würde“, und betont die „hieraus folgenden Notwendigkeit, alle Anstrengungen zur Abwendung der Gefahr eines solchen Krieges zu unternehmen und Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Völker zu ergreifen“.

Daran hat sich nichts geändert.

Schweizer U-Turn
zum Atomwaffenverbotsvertrag

Bis 2017 hatte sich die Schweiz in der UNO-Generalversammlung sehr aktiv an Verhandlungen über den Kernwaffenverbots-Vertrag (TPNW) beteiligt.

Am 7. Juli 2017 haben 122 UNO-Staaten, darunter auch die Schweiz, dem Vertrag zugestimmt.

Nach dem Eintritt von FDP-BR Cassis in die Regierung am 01.11.2017 änderte die Schweiz ihre bisherige Position.

Die aktuelle rechtsnational orientierte SVP/FDP-Koalition lehnte im Sommer 2018 wegen „sicherheitspolitischen Interessen“ eine Beteiligung der Schweiz am Atomwaffenverbotsvertrag ab.

Der Vertrag wird – entgegen der Zustimmung der Schweiz in der UN-Generalversammlung – aufgrund des Entscheids der SVP/FDP-Regierung nicht ratifiziert.

Der Bundesrat liefert folgende Begründung:

Die Schweiz will auf den atomaren Schutzschirm der NATO nicht verzichten.

Sicherheitspolitisch ist die schweizer Politik gegenwärtig mit der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge beschäftigt. Die Bedrohung der Bevölkerung durch die atomare Wiederaufrüstung ist kein Thema.

Kampfflugzeuge gibt es in Europa bereits mehrere Tausend. Die Luftsicherheit für Europa, eingeschlossen die Schweiz, kann nur mit einer gemeinsamen europäischen Luftverteidigung gewährleistet werden.

Der Bundesrat lehnt eine gemeinsame europäische Luftverteidigung unter Beteiligung der Schweiz ab. Gleichzeitig will er den atomaren Schutzschirm der NATO in Anspruch nehmen.

Unentgeltlich Trittbrettfahren bei der NATO ist das sicherheitspolitische Konzept der SVP/FDP-Regierung. Das ist neutral.

Keine schweizer Forderung, Atomwaffen abzubauen

Gegen einen möglichen Atomkrieg helfen indessen weder schweizer Kampfflugzeuge, noch ein europäischer Luftschirm.

Die Zahl der Atomsprengköpfe ist so gross und über den ganzen Globus verteilt, dass bei einer Auslösung eines Atomkriegs die Schweiz den Folgen, mit oder ohne NATO-Schutzschild, nicht ausweichen kann.

Die NATO-Atomsprengköpfe dienen der Abschreckung, insbesondere Russlands, aber auch Chinas.

Eine Zustimmung der Schweiz zum Atomwaffenverbotsvertrag ändert an dieser Abschreckungswirkung nichts, weder für Europa, noch für die Schweiz.

Sie würde aber dokumentieren, dass die Schweiz ein neues nukleares Wettrüsten der Grossmächte verurteilt und von ihnen einen Abbau der Atomwaffen verlangt. Dass dies nur im Gleichschritt erfolgen kann, liegt auf der Hand.

Von der UN-Forderung nach einem Abbau der Atomwaffen durch die Atommächte, statt nuklearer Aufrüstung, hält die SVP/FDP-Regierung nichts.

Der Bundesrat will keine der Atommächte verärgern, die USA nicht, Russland nicht und China nicht, oder wohl eher in umgekehrter Reihenfolge.

Kein Engagement des Bundesrates

Der Atomwaffensperrvertrag sieht vor (Artikel VII Absatz 3), dass alle fünf Jahre eine Konferenz der 189 Signatarstaaten durchgeführt wird, mit dem Ziel „der Überprüfung der Wirkungsweise des Vertrags“.

Ende März wurde die 2020 anstehende Überprüfungskonferenz wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben.

Eigentlich sollte die Schweiz zusammen mit andern Staaten für die Überprüfungskonferenz 2021 verlangen, dass das neue atomare Wettrüsten von Trump, Putin und Xi Jinping auf die Tagesordnung gesetzt und, für die Weltöffentlichkeit deutlich erkennbar, diskreditiert wird.

Die Schweizer Regierung hat indessen auf der internationalen Bühne in Sachen atomare Abrüstung mit ihrem U-Turn beim Atomwaffenverbotsvertrag an Glaubwürdigkeit eingebüsst.

Von der aktuellen SVP/FDP-Landesregierung ist auch in absehbarer Zukunft kein relevantes Engagement gegen die neue atomare Aufrüstung zu erwarten.

Schweizer Bundesräte sind 2019 nach Washington, Moskau und Peking gereist, um den drei Autokraten die Aufwartung zu machen. Das atomare Wettrüsten war dabei kein Thema, in der irrigen Ansicht, das habe für die schweizer Bevölkerung keine Bedeutung.

Die SVP/FDP-Regierung verlässt sich sicherheitspolitisch souverän auf den atomaren NATO-Schutzschirm, ohne sich an der europäischen Verteidigung zu beteiligen.

Damit ist die Angelegenheit für sie erledigt.

15.06.2020

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