Ansichten
zu Politik und Recht
Eugen David
„Der sogenannte bilaterale Weg auf der Basis sektorieller Abkommen ist der für die Schweiz massgeschneiderte Ansatz zur Gestaltung ihrer Beziehungen zur EU“.
Das schreibt der Bundesrat in seiner Aussenpolitischen Strategie für die Jahre 2020 – 2023.
In früheren Wortmeldungen ab 2003, also ab Einzug von SVP-BR Blocher, FdP-BR Merz und SP-BR Calmy-Rey in die Regierung, bezeichnete der Bundesrat den Bilateralismus als Königsweg der Schweiz.
Gleichzeitig strich er die EU-Beitrittsoption aus seinem Vokabular.
Neuerdings gilt der Königsweg nur noch als „sogenannt“ bilateral und wird herabgestuft auf „massgeschneiderter Ansatz“.
Wegen der laufenden Diskussion über das Rahmenabkommen ist man sich des Königreichs nicht mehr so sicher.
Darauf deutet die Bemerkung, “die innenpolitische Debatte über die Konsolidierung und Zukunftsfähigkeit des bilateralen Wegs soll selbstbewusst und ambitioniert geführt werden“.
Von wem?
Die Linke in der Schweiz ist auf den rechtsnationalen Anti-EU-Zug aufgesprungen.
Grund ist der Frust, dass die marxistische Ideologie in der europäische Integrationsbewegung entgegen früheren Erwartungen keine ausschlaggebende Rolle spielt.
So schwärmen heute CH-Linkspolitiker und Gewerkschaftsführer für altbackenen Nationalismus à la Tory-Brexit.
Stellt die Regierung deswegen die Zukunftsfähigkeit des Bilateralen Königswegs plötzlich in Frage?
Soll über das Dogma Bilateralismus öffentlich diskutiert und damit ein Tabu gebrochen werden? Handelt es sich um einen minimalen Schritt in Richtung Erkenntnis, dass der bilaterale Weg eine Sackgasse des Nationalismus ist?
Fragen über Fragen, die ohne Antwort bleiben.
Sybillinisch sagt die Regierung in ihrer Strategie, unser Land bereite sich auf alle Eventualitäten vor.
Gemeint ist damit das Scheitern des Rahmenabkommens wegen des U-Turns der Sozialdemokraten.
Das tönt nach Mobilmachung.
Existiert im EDA tatsächlich ein geheimer Plan B, um aus der europapolitischen Sackgasse heraus zu kommen? Unwahrscheinlich.
Wahrscheinlicher ist, dass ein kräftiger Ausbau des bereits laufenden autonomen Nachvollzugs auf dem Verwaltungsweg als Alternative anvisiert wird.
Diese Politik ist weder geheim noch neu.
Ein Exempel dafür ist die bundesrätliche Klimapolitik.
Am 13. Juni 2021 kommt das CO2-Gesetz zur Volksabstimmung.
Dieses Gesetz verweist an 22 Stellen auf das EU-Recht.
An zehn Stellen lässt sich der Bundesrat gesetzlich dazu verpflichten, die Regelungen der EU zu berücksichtigen.
Das ist die neue nationale Souveränität: gesetzlich vorgeschriebene Übernahme des europäischen Rechts auf dem Verwaltungsweg.
Der Bundesrat lehnt jede Mitwirkung der Schweiz in den gesetzgebenden europäischen Gremien (EU-Parlament, EU-Rat, EuGH, EU-Kommission) strikt ab, will aber das von diesen Gremien erlassene europäische Klima-Recht per Verordnung in der Schweiz exekutiv durchsetzen.
Das Ganze wird dem Volk als souveräne Klimapolitik verkauft.
Die EU ist dabei einen CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism / CO2-Grenzausgleichsmechanismus) einzuführen.
Der europäische Gesetzesentwurf ist für 2021 vorgesehen.
Der CBAM soll – auch im Verhältnis zur Schweiz – ab 2023 angewendet werden.
Das Europäische Parlament hat mit Mehrheitsentscheid im März 2021 die Einführung eines CBAM gefordert.
Unilateral eingeführte CO2-Lenkungsabgaben verursachen eine Abwanderung von Unternehmen mit hohem CO2-Austoss (carbon leakage).
Bisher wurde die Abwanderung – auch in der Schweiz - durch Freistellung dieser Unternehmen von den CO2-Abgaben verhindert.
Mit dem European Green Deal will die EU die Privilegierung der CO2-Schleudern beenden.
Die bisherigen Ausnahmen widersprechen in extremer Weise dem europäischen Klimaziel.
Heute sind in Europa gegen 40% der CO2-Emissionen von Abgaben befreit.
Ausserdem werden ca. 20% der CO2-Emissionen abgabefrei aus Drittländern eingeführt.
Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus soll
In die EU importierte Waren mit negativer CO2-Bilanz werden mit einer Lenkungsabgabe belastet, aus der EU exportierte Waren mit positiver CO2-Bilanz erhalten eine Rückerstattung.
Das CH/EU-Freihandelsabkommen und die WTO-Regeln werden den Schweizer Warenexport in die EU mit negativem CO2-Fussabdruck wohl kaum vor der Abgabepflicht schützen.
Es wird interessant sein zu verfolgen, wie der Bundesrat mit autonomem Nachvollzug für die Schweiz als Drittstaat das Problem bewältigt.
Höchstwahrscheinlich wird er exekutiv mit autonomen Nachvollzug in der Schweiz „souverän“ dieselben CO2-Abgaben anordnen wie sie in der EU gelten.
Diesen Weg zieht die aktuelle Regierung einer Mitwirkung in den gesetzgebenden europäischen Gremien vor, mit der bizarren Behauptung, er sei eigenständig und demokratisch.
05.04.2021