Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Mitläufer
der Rechtsnationalen

SVP-Streichlisten bei Richterwahlen

Der Walliser Yves Donzallaz, SVP-Mitglied, liess sich 2008 von der rechtsnationalen SVP als Bundesrichter vorschlagen.

Schon damals war die Praxis der Rechtsnationalen bekannt, bei ihren Anhängern in der Bundesversammlung vor Erneuerungswahlen Streichlisten zirkulieren zu lassen.

Richter sollten aus dem Gericht entfernt werden, welche an Urteilen beteiligt waren, die im Widerspruch zur rechtsnationalen Ideologie stehen.

Aufgrund dieser Praxis hat 2004 die SVP-Führungsriege wegen missliebiger Urteile Bundesrichtern einschneidende Konsequenzen bei der nächsten Erneuerungswahl in Aussicht gestellt.

Richterkandidat der Rechtsnationalen

Bei seiner Wahl 2008 und der Erneuerungswahl 2014 hat sich Yves Donzallaz an dieser Praxis seiner Partei nicht gestört.

2015 war er an einem Urteil beteiligt, wonach das Freizügigkeitsabkommen Bundesgesetzen vorgeht. Ein derartiges Urteil widerspricht der SVP-Politik. Die Partei will Fremde vertreiben und über das nationale Recht eine xenophobe Volksgemeinschaft installieren.

Der liberale Rechts- und Sozialstaat mit Gewaltentrennung und deren Richter müssen sich diesem rechtsnationalen Vorhaben unterordnen.

2019 war Donzalla an einem Urteil zur Amtshilfe in Steuersachen an Frankreich beteiligt, das derselben völkischen Ideologie widerspricht.

Wegen beiden Urteilen kommt er jetzt, bei den Erneuerungswahlen 2020, auf die Streichliste der SVP. Dass er der eigenen Partei angehört, macht die Sache für deren Anhänger im Parlament nur schlimmer.

In deren Augen sind seine Urteile Verrat am rechtsnationalen Glaubensbekenntnis, das die Partei vor bald dreissig Jahren formuliert hat und das heute noch gilt: völkischer Nationalismus; Fremdenfeindlichkeit; Anti-EU; parteipolitische Instrumentalisierung der staatlichen Institutionen, Geschichte und Symbole.

Jammernde SVP-Richter

Zwölf Jahre nach der Wahl meint SVP-Bundesrichter Donzalla verstört: «Es gilt, klar festzuhalten, dass die SVP seit Jahren versucht, die Justiz zu instrumentalisieren – auch über meine Person hinaus.»

Und: «Ich habe immer gehofft, dass dieses Gebaren irgendwann ein Ende haben wird und dass die Vertreter der grössten politischen Partei der Schweiz zur Vernunft kommen werden.»

«Vergeblich. Man muss sich jetzt über das Ausmass des Problems bewusst werden und den Versuchen, das Recht einer politischen Ideologie zu unterwerfen, entschieden entgegentreten.»

Ein weiteres Beispiel ist der ehemalige Präsident des Zürcher Obergerichts, Martin Burger, der 2006 als SVP-Anhänger ins Richteramt einzog.

Er ist verärgert, dass der Vorstand der Zürcher Rechtsnationalen 2020 eine «Ehrencharta und Grundsätze für SVP-Behördenvertreter» produziert, um die SVP-Behördenmitglieder im Sinne der Parteiideologie zu disziplinieren.

Die Charta hält die seit langem für alle staatlichen Ebenen angewendete Parteipraxis schriftlich fest. Neu ist an der Charta lediglich, dass die Kandidaten für Ämter vor der Wahl ein schriftliches Bekenntnis zur rechtsnationalen Ideologie ablegen müssen.

Amtierende Behördenvertreter, die sich dem widersetzen, sollen nicht mehr gewählt werden.

Chinesische Praktiken

Diese Praxis entspricht derjenigen der kommunistischen Einheitspartei Chinas unter dem Diktator Xi Jinping und anderer totalitär regierter Staaten.

Der ehemalige Obergerichtspräsident meint dazu: «Dieses Dokument tangiert die richterliche Unabhängigkeit.»

«Mit der Einführung einer Ehrencharta und einem Ehrengericht besteht bezüglich der rechtsprechenden Tätigkeit der Richterschaft die Gefahr einer parteipolitischen Einflussnahme, was klar gegen die verfassungsmässig gebotene richterliche Unabhängigkeit verstösst.»

Mitläufer

Wer sich nicht scheut, von der SVP als Mitläufer in ein hohes Richteramt portiert zu werden, obwohl deren völkisch nationalistische Ideologie, auch in Bezug auf Rechtsstaat und Gewaltentrennung, seit langem bekannt ist, dem fehlen gute Gründe für nachträgliche Kritik und Distanzierung.

Alle von der SVP portierten Richterkandidaten wissen, "dass die SVP seit Jahren versucht, die Justiz zu instrumentalisieren" wie SVP-Bundesrichter Donzalla feststellt.

Dennoch stellen sie sich der Partei im Blick auf ein komfortables Amt zur Verfügung und unterziehen sich deren Ideologie.

Instrumentalisierung

Die Instrumentalisierung der staatlichen Institutionen im Sinne der Parteiideologie ist, geschrieben oder ungeschrieben, Parteiprogramm der SVP.

Von Rechtsnationalen portierte Amtsträger müssen sich wegen der Disziplinierungspraxis vor Meinungsäusserungen und Entscheiden die Frage stellen: „Was wird die Partei dazu sagen? Riskiere ich meinen Posten?“.

Am Ende einer langen beruflichen Laufbahn als SVP-Richter sind Kritik und Distanzierung unglaubwürdig. Die Frage der Verantwortung für den Rechtsstaat stellt sich im Zeitpunkt, in welchem man sich in Kenntnis der Parteipraxis von den Rechtsnationalen ins Amt portieren lässt.

Niemand ist verpflichtet, sich portieren zulassen und – gegen die eigene Überzeugung – mit den Rechtsnationalen Trittbrett zu fahren.

08.09.2020

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