Ansichten
zu Politik und Recht
Eugen David
Es gibt wohl keine Zeitung in der Schweiz, die an Politik und Wirtschaft mehr gute Ratschläge erteilt, wie man es besser machen sollte, als die Neue Zürcher Zeitung.
Derart geballtes Knowhow sollte eigentlich in der Lage sein, die aktuellen Umbrüche in der Medienwelt zu bewältigen und das Unternehmen NZZ, Print und Online, wieder in ruhiges Fahrwasser zu lenken.
Offenbar ist aber das Erteilen guter Ratschlägen einfacher als das Umsetzen.
Die NZZ befindet sich ökonomisch in schwieriger Lage.
Die Ereignisse der letzten Wochen lassen erahnen, dass deswegen auf der Kommandobrücke Panik ausgebrochen ist.
Und besonders schlimm:
niemand dort liest in der eigenen Zeitung die täglich publizierten Empfehlungen über gutes Unternehmertum in Krisenlagen.
Der Verwaltungsrat schliesst die eigene Druckerei und lässt seine Zeitung beim Hauptkonkurrenten Tagesanzeiger drucken.
Auf diese Idee kommt man wohl kaum als Leser des Wirtschaftsteils der NZZ. Stellt man mangels Analyse in der NZZ auf den gesunden Menschenverstand ab, erscheint die Druckereischliessung Ausdruck von Hilflosigkeit.
Welcher Unternehmer macht sein wichtigstes Produkt, ja seine ganze Firma, auf Gedeih und Verderben von seinem Hauptkonkurrenten abhängig?
Die anschliessende Entlassung des Chefredaktors und die Wahl eines Nachfolgers aus der rechtsnationalen Szene hinterlassen den Eindruck publizistischer Ahnungslosigkeit.
Der Verwaltungsrat ist offenbar der Ansicht, er könne die NZZ mit der Verbreitung rechtsnationaler Parolen zu neuer Blüte führen. Dass das nicht der Meinung der NZZ-Redaktoren entspricht, ist inzwischen bekannt.
Der als NZZ-Chefredaktor auserwählte Markus Somm hat bereits die Basler Zeitung mit Hilfe von SVP-aBR Blocher rechtsnational getrimmt.
Eben erst hat er noch heftig für die Goldinitiative der rechtsnationalen SVP und seines Sponsors geworben und damit seinen wirtschaftspolitischen Sachverstand in helles Licht gerückt.
Mit der Goldinitiative 2014 verlangt die SVP, alles schweizer Gold müsse in der Heimat gebunkert werden. Ausserdem müsse die Nationalbank einen Fünftel ihrer Reserven in Gold halten.
Die Wahl des rechtsnationalen Somm ist ein ungemütliches Signal an die NZZ-Leser und an die Öffentlichkeit.
Hat der NZZ-Verwaltungsrat die rechtsnationale Scheuklappen-Ideologie mit Ausländer- und EU-Feindlichkeit bereits so verinnerlicht, dass er darauf in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich wirtschaftlich, publizistisch und politisch bauen will?
Nach der Opposition aus der NZZ-Redaktion hat Markus Somm abgesagt. Eine Peinlichkeit für das Wahlgremium.
Wie will diese Führungscrew unter dem Präsidium des ehemaligen Galenica-Managers Etienne Jornod die NZZ aus dem Nebel führen?
Jornod folgte 2013 auf den Interims-Präsidenten FDP-aNR Franz Steinegger, der 2012 kurzfristig für den an amerikanischen Steuerhinterziehungs-Attacken gescheiterten Wegelin-Banker Konrad Hummler einspringen musste.
Das Risiko, dass der NZZ-Verwaltungsrat mit ungelesener NZZ in der Hand, getrieben vom Zeitgeist, erst 70 Jahre nach dem 2.Weltkrieg in den rechtsnationalen Abgrund stolpert, ist nicht auszuschliessen.
15.12.2014