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zu Politik und Recht

Eugen David

schweizer Nationalbank: Sieg oder Kapitulation?

Der abrupte Ausstieg aus der Franken-Euro-Bindung durch Nationalbankdirektor Jordan löst bei vielen Patrioten Hochgefühle aus. Die Medien sind voll von überschwänglichen Kommentaren.

Endlich sind wir wieder frei und souverän. Die Kosten nehmen wir gerne in Kauf. Zumal wir jetzt mit dem starken Franken im Euroland extrem günstig einkaufen und Ferien machen können.

Nationalbankdirektor Jordan hat die Schweiz souverän und ohne Demokratie vom gemeinsamen Wertmassstab im europäischen Binnenmarkt getrennt.

Das stimmt mit der Europapolitik des Bundesrates überein. Die Regierung hat das seit dreissig Jahren bestehende Integrationsbüro unter dem Einfluss der Rechtsnationalen aufgelöst.

Die EU-Beitrittsoption ist seit den Bundesratswahlen 2003/2004 vom Tisch. Damals traten SP BR Calmy-Rey, FDP BR Merz und SVP BR Blocher in die Regierung ein.

Siegesstimmung

In Siegesstimmung - wenn auch nicht patriotischer Art - sind sodann die vielen russischen, arabischen, griechischen, chinesischen, afrikanischen etc. Oligarchen mit CHF-Konten bei schweizer Banken.

Nationalbankdirektor Jordan hat sie über Nacht um 20% reicher gemacht.

Weniger Freude haben die vielen ausländischen Städte und Gemeinden, die schweizerfranken Obligationen ausgegeben und auf eine stabile, mit dem Euro verbundene Währung vertraut haben.

Sie fühlen sich über den Tisch gezogen, weil ihre Schuld plötzlich um 20% gewachsen ist.

Wenn sich nach dem donnerstäglichen Donnerschlag der Nebel langsam lichtet, werden die Buchhalter der schweizer Firmen Bilanzen und Erfolgsrechnungen auf die neuen Gegebenheiten umstellen.

Euro- und Dollarguthaben gegenüber Kunden sind auf der Aktivseite um 20% reduziert. 15% des Wertschriftenvermögens haben sich in Luft aufgelöst.

Die Frankenschulden ändern sich nicht. Das geht voll ins Eigenkapital.

Im Budget 2015 müssen die Dollar- und Euroeinnahmen um 20% reduziert werden. Auf der Aufwandseite bleibt es bei den Personal- und Sachkosten in CHF.

Das Resultat: der budgetierte Gewinn bekommt ein Fragezeichen.

Buchhaltung

Was ist zu tun? Preise um 20% erhöhen?

Wenn es die Euro- und Dollarkunden akzeptieren, dann ist alles OK. Wenn nicht, muss der Personal- und Sachaufwand in der Schweiz um 20% runter. Das geht zulasten der inländischen Löhne und Lieferanten.

Firmen, welche nur eine globale Oligarchen-Klientel bedienen, wie Banken, Vermögensverwalter, Luxus-Resorts und Luxusuhrenhersteller, können die Preise in Dollar und Euro erhöhen.

Alle andern müssen mit den Kosten in schweizer Franken runter.

Die Unternehmer werden mit Hochdruck Fachkräfte in der EU rekrutieren, weil diese bei gleicher oder besserer Qualität tiefere Lohnansprüche haben.

Das ruft in der Politik die rechtsnationale SVP auf den Plan. Sie verlangt Abschottung und Kontingentierung an der Grenze. Es sind dieselben Leute, die jetzt in nationalistischer Pose die Nationalbank belobigen.

Die Aufwertungspolitik Jordans fördert die Rechtsnationalen.

Die Unternehmer werden mehr EU-Lieferanten berücksichtigen, nachdem ihre Einkaufsmacht auf den benachbarten Märkten rasant gestiegen ist. Das geht zulasten inländischer Fabrikanten.

Nimmt der Kostendruck aufgrund der Frankenaufwertung weiter zu, wird die Produktion in die EU oder gerade direkt nach China ausgelagert.

Arbeitsplätze in der Produktion verschwinden.

Der Handel profitiert von hohen Margen, solange er selbst aus China und Südostasien importieren kann. Die einheimischen Konsumenten zahlen schweizer Preise. Goldene Zeiten für den Handel.

Wenn alles abgewickelt ist, wird die Euphorie über das Überraschungsgeschenk von Nationalbankdirektor Jordan wohl etwas nachlassen.

Spekulation

Nationalbankdirektor Jordan war ausserstande, den Franken gegen die internationale Spekulation zu verteidigen.

Er meinte noch zuletzt, mit einem Negativzins von 3/4% könne er die spekulative Aufwertung am Markt stoppen.

Das hat sich als falsch herausgestellt. Die Entschuldigung “Der Markt hat überreagiert“ tönt hilflos.

Er ist von der Menge der globalen Frankenaufkäufe überfahren worden, eingeklemmt zwischen den Währungsblöcken Dollar und Euro.

Seine Erwartung, mit der Loslösung vom Euro und der Freigabe des Frankens an die internationalen Devisenmärkte, werde sich die Frankenspekulation beruhigen, könnte sich als Irrtum herausstellen.

Fakt ist, dass der Aussenwert des Frankens gegenüber Dollar und Euro nicht mehr über die Volkswirtschaft Schweiz definiert wird.

Er ist der Steuerung durch die Nationalbank entglitten, auch wegen des immensen ausländischen Geldstromtransits der durch den Finanz- und Rohstoffhandelsplatz Schweiz vom Ausland und wieder ins Ausland fliesst.

Zuzugeben ist, dass der Geldstrom für Arbeitsplätze am Businessplatz Schweiz sorgt und teilweise die Arbeitsplätze der Warenproduktion ersetzt.

Devisenhändler haben das Kommando

Die SNB hat die Herrschaft über den schweizer Franken an die Geldhändler der internationalen Banken abgetreten.

Diese handeln jeden Tag mit 5000 Milliarden Devisen, in US-Dollar gemessen, mit dem einzigen Ziel, aus den Währungsdifferenzen Gewinne zu erzielen. Die Auswirkungen auf die betroffenen Volkswirtschaften interessieren sie nicht.

Das tägliche Handelsvolumen in schweizer Franken und die täglich ausgelöste Volatilität sind weit jenseits dessen, was die schweizer Realwirtschaft verkraften und die Nationalbank steuern kann.

Der Franken aus dem kleinen Währungsraum ist für die Geldhändler ein geradezu ideales Spekulationsobjekt.

Wenig Geldeinsatz kann viel bewegen. Darin unterscheidet sich der schweizer Franken vom Dollar, vom Euro und vom Yen.

Lohn- und Preisinsel

Drei Tage vor dem Ausstieg hatte Nationalbankdirektor Jordan erklärt, der Mindestkurs von CHF 1.20 zum Euro bleibe Pfeiler der Währungspolitik der SNB.

Heute ist ihm wohl klar: die Rückkehr zu einer autonomen Steuerung der Währung ist nach diesem Tag eine Illusion. Die Glaubwürdigkeit ist dahin, was die Spekulation anheizt.

Der Franken verliert die Eigenschaft als verlässlicher Wertmassstab. Identische Waren und Dienstleistungen in Franken gemessen sind im benachbarten Euroraum bis zu 30%-50% billiger.

Die Schweiz beteiligt sich, trotz allem Nationalismus, immer noch per Bilaterale Verträge am europäischen Binnenmarkt, will aber am Markt unkoordiniert mit einem eigenen, volatilen Wertmassstab auftreten.

Die Freigabe des Frankens an die internationalen Devisenmärkte fördert die Betonierung der Lohn- und Preisinsel mitten im europäischen Binnenmarkt, weil sich der Frankenkurs weder an der schweizer, noch an der europäischen Realwirtschaft orientiert.

Forderungen nach Protektionismus werden zunehmen. Neben der Landwirtschaft werden auch andere Branchen Schutz an der Grenze verlangen. Wegen der Aufwertungspolitik der Nationalbank reden die Gewerkschaften von Lohnschutz.

Am Ende setzt sich die Forderung der Rechtsnationalen durch, den europäischen Binnenmarkt zu verlassen.

Wenn die Nationalbank an den Devisenmärkten in Massen Dollar und Euro gegen frisch produzierte Franken kauft, um die Aufwertung einzudämmen, spült sie den internationalen Devisenhändler zusätzliche Franken als Spielgeld in die Konten.

Eine Politik, die irgendwann nicht mehr aufgehen wird.

17.01.2015

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