Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Schweizer Europapolitik - Isolation oder Partizipation



Der Bundesrat unternimmt grösste Anstrengungen, damit die Schweiz in supranationalen Gremien mit Sitz und Stimme vertreten ist.

Mitbestimmung in supranationalen Organisationen

So kämpft er seit Jahren um den gefährdeten Sitz der Schweiz im Direktorium der Bretton-Woods-Institutionen, d.h. der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Zu diesem Zweck hat er unter dem Code „Helvetistan“ ohne Berührungsängste eine zentralasiatische Staatengruppe aus ehemaligen Sowjetrepubliken (Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan) um sich geschart.

Alle autoritär regiert, ohne Demokratie und Rule of Law.

Alles hat der Bundesrat sodann in Bewegung gesetzt, um die Schweiz mit Sitz und Stimme in die Gruppe der G20 zu bringen, bis heute allerdings noch erfolglos.

Die G20 setzen mit dem Instrument OECD weltweit Regeln durch. Gerade die Schweiz musste das schmerzlichen erfahren.

Die G20 machten ohne Anhören der Schweiz innert Wochen das seit Jahrzehnten bestehende, eigenständige nationale schweizerische Unternehmenssteuerrecht zur Makulatur, souveränitätspolitisch beispiellos.

Neuerdings will der Bundesrat die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat vertreten wissen und setzt dafür beträchtliche diplomatische Ressourcen ein.

Logischerweise bemüht sich der Bundesrat mit grossem finanziellem und diplomatischem Aufwand um die Beteiligung der Schweiz an supranationalen Organisationen.

Nur so kann der Kleinstaat Schweiz seinen eigenen Handlungsspielraum bestmöglich schützen. Das ist rationale Souveränitätspolitik in der Globalisierung.

Keine Mitbestimmung in der EU

Die weitaus meisten Regeln, die in der Schweiz Anwendung finden, stammen indessen nicht aus den genannten Organisationen, sondern aus der Europäischen Union.

Nach der Strategie des Bundesrates müsste er alles daran setzen, in deren Institutionen mit Sitz und Stimme vertreten zu sein.

Das aber lehnte er in all seinen Botschaften nach den Bilateralen I mit Nachdruck ab, weil angeblich die Souveränität gefährdet sei. Statt der souveränitätspolitischen Strategie Partizipation verfolgt er im weitaus wichtigsten Fall der Europäischen Union die Strategie Isolation.

Den Schwenk von einer rationalen zu einer irrationalen Europapolitik machte der Bundesrat ab dem Jahr 2003 auf Druck der Rechtsnationalen, in der Hoffnung, so Abstimmungsvorlagen besser über die Bühne zu bringen. Der bundesrätliche bilaterale Krug ging zum Brunnen, bis er am 9. Februar 2014 brach.

An diesem Tag nahmen 50.3% der Stimmenden die rechtsnationale Masseneinwanderungsinitiative an.

In der Konsequenz verlangt die Initiative die Aufhebung der Personenfreizügigkeit gemäss den Bilateralen Verträgen I und damit den Austritt der Schweiz aus dem europäischen Binnenmarkt.

Die Schweiz muss ihren bilateralen Königsweg verlassen, fordert die rechtsnationale SVP.

Königsweg

Die Regierung und EDA-Chef FDP-BR Burkhalter bezeichnen den Bilateralismus seit einigen Jahren bedeutungschwanger als Königsweg der Schweiz in Europa.

Sie wecken die Illusion, die Schweiz könne als einziges Land in Europa das Zugangsrecht zum europäischen Binnenmarkt ohne Pflicht zur Einhaltung der Binnenmarktregeln für sich in Anspruch nehmen, eben im Sinne von Fünfer und Weggli.

Die bundesrätliche Europapolitik ab 2003 hat in den Medien, in den Parteien und bei den Stimmberechtigten den Glauben an einen Königsweg enorm verfestigt - mit Rechten aber ohne Pflichten für den Sonderfall Schweiz.

Erst das hat dem rechtsnationalen Sektierertum ermöglicht, die Europäische Union im schweizer Publikum als Feindbild zu installieren.

Gerade jetzt lösen sich mit dem Abstimmungsresultat über die SVP-Masseinwanderungsinitiative die bilateralen Illusionen auf. Der König steht ohne Kleider da.

Die Stimmung wird von den Rechtsnationalen für ihre Machtinteressen im Land gnadenlos ausgebeutet. Der Fluch der bösen Tat. Es wird viele Jahre dauern, bis die Dummheiten der Rechtsnationalen in der Europapolitik abgebaut sind.

Besser wäre es gewesen, man hätte von Anfang an einen weiten Bogen um sie geschlagen und wäre der herkömmlichen pragmatischen und rationalen Aussenpolitik der Schweiz treu geblieben.

31.08.2014

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