Ansichten
zu Politik und Recht
Eugen David
Am 12. Mai 2004 versprach FDP BR Kaspar Villiger der EU, die Schweiz werde ihr eine Milliarde Franken zugunsten der EU-Kohäsion bezahlen.
Er wollte damit im Interesse des Finanzplatzes das grenzüberschreitende schweizer Bankgeheimnis retten.
Aus Sicht der USA und der EU fördert das Bankgeheimnis Steuerhinterziehung, Kriminalität und autoritäre Regimes. Die betreffenden Personen können ihr Geld in der Schweiz versteckten.
Die versprochene Milliarde für die EU-Kohäsion wurde in fünf Tranchen à 200 Millionen aufgeteilt und der Bundeskasse 2007 – 2011 belastet.
Ausgegeben wurde das Geld bis 2015 für Kohäsions-Projekte in Polen (489 Mio.), Ungarn (130 Mio.), Tschechien (109 Mio.), Litauen (71 Mio.), Lettland (60 Mio.), Slowakei (66 Mio.), Estland (40 Mio.), Slowenien (22 Mio.), Zypern (6 Mio.) und Malta (3 Mio.).
Die versprochene Kohäsions-Milliarde sollte ausserdem
die Zustimmung der EU-Länder zu dem vom Bundesrat gewünschten Zinsbesteuerungsabkommen bewirken. Das vom damaligen Finanz-Staatssekretär Michael Ambühl vorbereitete Abkommen sollte den Angriff auf das grenzüberschreitende Bankgeheimnis abwehren. Der Erfolg blieb aus. Die Zustimmung kam nicht.
die Zustimmung der EU zu den von der Regierung gewünschten Bilateralen Verträge II befördern.
Der Bundesrat meinte, mit dieser Aktion sei das Bankgeheimnis besser geschützt als je zuvor.
Die Verhandlungen über die Bilateralen II wurden eine Woche nach dem Kohäsionsversprechen, am 19. Mai 2004, abgeschlossen.
Aus Sicht der EU war der Kohäsionsbeitrag stets eine der Voraussetzungen für die Partizipation der Schweiz am europäischen Binnenmarkt.
Eine Inanspruchnahme der wirtschaftlichen Vorteile des Binnenmarktes ohne Kohäsionsbeitrag lehnte die EU damals wie heute ab.
Um die rechtsnationalen innenpolitischen Klippen zu umschiffen, verpackte der Bundesrat die Kohäsionsmilliarde getarnt in das Osthilfe-Gesetz.
Dort fügte er den Satz ein, der Bund könne im Rahmen des Beitrags der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten in der erweiterten Europäischen Union auch Zypern und Malta unterstützen.
Dass es bei der Milliarde Osthilfe in Tat und Wahrheit um den von der EU geforderten Kohäsionsbeitrag handelte, blieb ungesagt.
Ebenso blieb im Dunkel, dass der Kohäsionsbeitrag von 1 Milliarde Voraussetzungen für die Beteiligung der Schweiz mit den Bilateralen Verträge I und II am europäischen Binnenmarkt ist.
Die rechtsnationalen SVP ergriff das Referendum, weil sie jede Zahlung an die EU ablehnt und keine Bindungen der Schweiz mit der EU will.
Trotz heftiger Gegenpropaganda, finanziert mit dem Geld der rechtsnationalen Milliardäre, stimmte das Volk am 26. November 2006 mit 53% dem Gesetz zu.
Das Gesetz ist befristet bis am 30. Juni 2017. Danach fehlt eine gesetzliche Grundlage für Kohäsionszahlungen an die EU, was wiederum die Beteiligung der Schweiz am Europäischen Binnenmarkt gefährdet.
Daher besteht Handlungsbedarf.
Am europäischen Binnenmarkt sind 32 Länder beteiligt, nämlich 28 EU-Mitgliedsländer, 3 EWR-Länder und die Schweiz. Alle zahlen Kohäsionsbeiträge.
Die SVP ist heute – wie 2006 – der Ansicht, die Schweiz könne als einziges Land vom europäischen Binnenmarkt profitieren, ohne einen Beitrag zu zahlen.
Der Bundesrat will den Kohäsionsbeitrag weiterhin als Osthilfe tarnen. Mit SVP BR Ueli Maurer sitzt heute ein Mitglied des Referendumskomitees 2006 in der Regierung.
Im Gesetz soll wieder mit einer entsprechenden Klausel der Öffentlichkeit klar gemacht werden, dass es sich bei der Zahlung um eine freiwillige humanitäre Hilfe der Schweiz handle und nicht etwa um einen Kohäsionsbeitrag.
Statt offen zu kommunizieren um was es tatsächlich geht, sagt die Regierung, die Zahlung sei kein Präjudiz. Ob die Schweiz einen Kohäsionsbeitrag zahle, sei offen.
Er werde „einzig im Gesamtkontext der Beziehungen zur EU - und sofern diese sich positiv entwickeln“ einen schweizerischen Kohäsionsbeitrag vorschlagen. Der dann allerdings nicht mehr dem Referendum unterliegt, was der Bundesrat nicht sagt.
Der aktuelle Eiertanz unterscheidet sich nicht von demjenigen des Jahres 2004 als es um die Bilateralen II und den Schutz des Bankgeheimnisses ging.
Das Bankgeheimnis ist Geschichte und die Bilateralen Verträge stehen wegen dem SVP Masseneinwanderungs-Artikel der Bundesverfassung auf der Kippe.
Die Beteiligung am europäischen Binnenmarkt ist für keines der 32 beteiligten Länder ohne institutionelle und finanzielle Gegenleistungen zu haben – auch für die Schweiz nicht.
Während vielen Jahren hat der Bundesrat im Verein mit der Wirtschaft und grossen Teilen der Medien der schweizerischen Öffentlichkeit das Gegenteil suggeriert: die Schweiz sei ein Sonderfall.
Sie könne sich über den bilateralen „Königsweg“ ohne institutionelle und finanzielle Gegenleistungen am europäischen Binnenmarkt beteiligen. Sie könne die Vorteile in Anspruch nehmen, ohne auch – wie die andern Binnenmarktländer – Nachteile akzeptieren zu müssen.
Eine illusionäre Politik, die sich mehr und mehr in einer Sackgasse findet. Aus dem kläglichen Scheitern der Regierungspolitik in Sachen Bankgeheimnis und Unternehmenssteuern hat man nichts gelernt.
In beiden Fällen hat die Regierung jahrelang Illusionen verbreitet, um dann kurzfristig und ohne Volksbefragung vor den Realitäten einzuknicken.
Denselben Weg will man auch in der Europapolitik gehen. Das erfordert offenbar die direkte Demokratie: beliebt sind Illusionen, Realitäten können - wenn überhaupt - nur gut getarnt und häppchenweise vermittelt werden.
14.03.2016