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zu Politik und Recht
Eugen David
Am 7. Februar 2019 war FDP-BR Cassis, Vorsteher des Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA), in den USA und traf sich dort mit Trumps Aussenminister Pompeo und seinem Sicherheitsberater Bolton.
Ein analoges Treffen hat seit mehr als zehn Jahren nicht mehr stattgefunden.
Am Treffen ging es um die vom EDA mit viel Aufwand gepflegten engen diplomatischen Beziehungen zum diktatorischen und mörderischen Mullah-Regime im Iran. Daher war Bolton dabei.
Das EDA hilft dem despotischen Regime in Bagdad mit konsularischen Dienstleistungen, sog. Guten Diensten, aus der Isolation.
Trump will sich der Beziehungen von FDP-BR Cassis zum Mullah-Regime bedienen.
Nach dem Treffen gab FDP-BR Cassis dem schweizer Publikum frohgemut bekannt, ein Freihandelsabkommen USA/Schweiz könne bald verhandelt werden.
Er sagte das, obwohl er niemanden vom zuständigen Office of the US Trade Representative (R. E. Lighthizer) gesprochen hat. Ist die Ankündigung nur heisse Luft?
Über die Connection Trump / EDA / iranische Mullahs sagte er nichts.
Die Trump-Administration gilt im EDA, ungeachtet der „America first“-Parolen, gegenwärtig als bevorzugter Verhandlungspartner der Schweiz.
Vielleicht deswegen, weil Trump den Brexit befürwortet und die Europäische Union auflösen will. Während seiner Wahlkampagne 2016 twitterte er: “They will soon be calling me MR. BREXIT!”
Erhofft sich die SVP/FDP-Regierung im jahrelangen Streit der Schweiz mit der Europäischen Union über die Beteiligung am europäischen Binnenmarkt Trumps Unterstützung?
Bis heute ist noch kein schweizer Emissär bis zu Trump vorgedrungen. Vielleicht schafft es SVP-BR Maurer in seinem Präsidialjahr. Vermutlich wird in der Schweizer Botschaft in Washington daran gearbeitet.
FDP-BR Cassis meint nach seiner hoffnungsvollen Botschaft, nun müsse die Schweiz handeln und Trump konkrete Vorschläge für ein Freihandelsabkommen USA/CH unterbreiten.
"Ich werde in Bern sofort mit Wirtschaftsminister Guy Parmelin zusammensitzen und ihm genau berichten, was wir hier besprochen haben", sagte FDP-BR Cassis.
2005 war die Schweiz bereits einmal auf der Suche nach einem Freihandelsabkommen mit den USA.
Kurz nach dem Holocaust-Desaster und kurz vor der bundesrätlichen Abschaffung des grenzüberschreitende schweizer Bankgeheimnisses, das US-Steuerhinterzieher begünstigte.
Das Vorhaben scheiterte, weil die USA mit ihren Agrarprodukten ungehinderten Zugang zum Schweizer Markt verlangten.
Die Landwirtschaftslobby inner- und ausserhalb des Parlamentes wollte davon nichts wissen. Der Bundesrat verzichtete deswegen auf weitere Verhandlungen.
Aus den Äusserungen von FDP-BR Cassis muss man schliessen, dass die Lage heute eine ganz andere ist.
Begrüsst die Landwirtschaftslobby neuerdings ein Freihandelsabkommen mit den USA? Hat FDP-BR Cassis beim Bauernpräsidenten nachgefragt? Die Neuorientierung wäre jedenfalls eine veritable Überraschung.
Die Realitäten sind heute nicht anders als 2005: die USA produzieren Nahrungsmittel weit unter den Qualitäts- und Umweltstandards des europäischen Binnenmarkts.
Die Schweiz hat sich in ihrer Lebensmittelgesetzgebung mit gutem Grund den europäischen und nicht den US-Standards angeschlossen.
FDP-BR Cassis möchte offenbar seinen Kollegen SVP-BR Parmelin veranlassen, das zu ändern.
Fraglich ist, ob die Partei von SVP-BR Parmelin daran Freude hat.
Das ist ungünstig für FDP-BR Cassis, da er seine Wahl in den Bundesrat der SVP von SVP-BR Parmelin verdankt.
Was mit einem Freihandelsabkommen à la Trump auf die Schweiz zukäme, zeigen die Ankündigungen aus den USA zum geplanten Freihandelsabkommen mit Grossbritannien nach dem Brexit.
Die Trump-Administration hat am 28. Februar 2019 ihre Ziele für ein Freihandelsabkommen mit Grossbritannien bekannt gegeben. Die Forderungen sind deutlich härter als jene der Obama-Administration im Verhältnis zur EU.
Die Elimination von nicht-tarifarischen Barrieren gegen US-Agrarprodukte steht zuoberst auf der US-Wunschliste. Die Briten ihrerseits wollen dem US-Pentagon mehr britische Waffensysteme verkaufen.
UK soll auf die bisherigen europäischen Qualitäts- und Umweltstandards verzichten. Das wollen die Amerikaner.
Damit soll u.a. der Weg für gentechnisch veränderte Lebensmittel, für die Zulassung von Hormonen und Antibiotika als Wachstumsförderer in der Fleischproduktion und für chlor-gewaschenes Hühnerfleisch frei gemacht werden.
Der zuständige EU-Fachausschuss für Veterinärwesen hat 2000 festgestellt: «Der Verzehr von Fleisch von Tieren, die mit künstlichen Hormonen gemästet werden, kann krebsfördernd und krebsauslösend sein.»
In der Pouletproduktion verzichten die Amerikaner auf Hygienevorschriften für Hühnerställe und Schlachthäuser.
Stattdessen eliminieren sie Krankheitskeime, indem sie Pouletfleisch in Chlor waschen (chlorine-washed chicken).
Ein besondere Dorn im Auge sind den USA die Kennzeichnungsvorschriften für Nahrungsmittel und technische Produkte im europäischen Binnenmarkt, die auch in der Schweiz gelten. Sie sollen wegfallen.
Ausserdem soll UK den europäischen Schutz für geografische Herkunftsbezeichnungen bei Nahrungsmitteln aufgeben.
UK kann heute ungehindert Nahrungsmittel und technische Produkte in den europäischen Binnenmarkt exportieren.
Will UK nach dem Brexit diese Möglichkeit behalten, muss UK in seiner Produktion die europäischen Standards anerkennen. Die USA verlangen aber, dass UK kein Freihandelsabkommen mit der EU abschliesst, welches den US-Import nach UK behindert.
Beides geht nicht.
Besonders unerfreulich für UK ist die Forderung der USA, wonach UK mit sog. „Nonmarket Economies“ - wie China - keine Handelsverträge abschliessen dürfe, ohne das Wegfallen des US-Abkommens zu riskieren.
Trump verwendet die US-Handelspolitik, um die globale US-Hegemonie und "America first" durchzusetzen. Die neue Fassung des Freihandelsabkommens USA-Mexico-Kanada (USMCA) enthält bereits die entsprechenden Klauseln.
Er will Freihandelsverträge zwischen UK und China, dem US-Hauptkonkurrenten, unterbinden. Premierministerin May war indessen bereits in China, um ein Freihandelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit vorzubereiten.
Grossbritannien wird sich entscheiden müssen, ob es die USA oder China als Handelspartner vorzieht.
Wahrscheinlich kann sich Grossbritannien dem Druck aus Washington nicht entziehen. Nach dem Brexit ist das Land sicherheits- und handelspolitisch von den USA abhängig.
Die europäische Rückendeckung fehlt.
Für die Ursprungsregeln fordern die USA eine Lösung, welche Produktionsketten unter Beteiligung der USA begünstigt. Die für den europäischen Binnenmarkt geltenden technischen Standards sollen für US-Produkte in UK nicht massgebend sein.
Für ihre Dienstleistungskonzerne verlangen die USA den Marktzutritt in UK, ohne dass diese dort Niederlassungen unterhalten müssen.
Das soll insbesondere für Produzenten digitaler Produkte gelten (Google, Facebook, Netflix etc.), womit dann auch deren Steuerpflicht entfällt.
Der Datentransfer in die USA soll ohne Einhaltung der EU-Datenschutz-Richtlinie möglich sein. Die US-Online-Konzerne sollen für Inhalte, die sie von Dritten auf ihren Plattformen präsentieren, von jeder Haftung befreit werden.
Für UK-Investoren in den USA sollen US-Regeln gelten. Für US-Investoren in UK sollen ebenfalls US-Regeln gelten. Eine besonders schmerzhafte Forderung von America first an die Nachkommen des British Empire.
Nach dem Brexit wollten sie sich in ihrer Handelspolitik wie vor dem 1. Weltkrieg souverän und unabhängig fühlen.
All diese Forderungen sind eine schwere Hypothek für ein allfälliges Freihandelsabkommen EU/UK nach dem Brexit. Sie zielen darauf ab, einen Keil zwischen UK und EU zu schlagen.
Grossbritannien kommt damit in die Zwickmühle. Rund 50% seiner gesamten Exporte, und insbesondere die Dienstleistungen, gehen heute in den europäischen Binnenmarkt, lediglich 14% in die USA.
Der europäische Binnenmarkt hat rund 500 Mio., der US-Markt 330 Mio. Konsumenten.
So wie es aktuell aussieht, liegt ein US/UK-Freihandelsabkommen in weiter Ferne.
Das Warenhandelsvolumen der Schweiz in CHF entfällt zu 60% auf die EU (2017: 263 Mia. CHF) und zu 11% auf die USA (2017: 50 Mia. CHF). Das Dienstleistungshandelsvolumen der Schweiz in CHF entfällt zu 49% auf die EU (2017: 93 Mia. CHF) und zu 24% auf die USA (2017: 46 Mia. CHF).
Sicher haben FDP-BR Cassis und seine Fachleute alle Fragen vor dem Besuch der USA sorgfältig geprüft. Anders wären seine Ankündigungen in Washington nicht vertretbar.
Anderseits: US-Aussenminister Pompeo und US-Sicherheitsberater Bolton habe keine Zuständigkeit für US-Handelsverträge. Zuständig ist das Office of the US Trade Representative, R. E. Lighthizer. Mit ihm hat die Schweizer Delegation nicht gesprochen. Hat FDP-BR Cassis nur Luftschlösser produziert?
Gewiss werden die Antworten aus Amerika an die Schweiz vom EDA und EVD in Bälde veröffentlicht. EDA und EVD werden dann wohl bekanntgeben müssen, welche europäischen Nahrungsmittel- und Datenschutzstandards fallen sollen.
Die schweizer Bevölkerung kann dann entscheiden, ob sie die Standards der Amerikaner oder jene der Europäer vorzieht. Ein Entscheid zugunsten US-Standards bedeutet Abkoppeln vom europäischen Binnenmarkt.
Und sie kann entscheiden, ob sie das Freihandelsabkommen mit China beibehalten will oder nicht
Und anderes mehr.
Ob am Ende „Switzerland first“ oder „America first“ herauskommt, wird sich zeigen.
Allerdings dürfte all dies - wie in UK - in weiter Ferne und jenseits der Aktivität von FDP-BR Cassis liegen. Er wird sich vorläufig auf die Connection Trump / EDA / iranische Mullahs konzentrieren müssen.
07.03.2019