Ansichten
zu Politik und Recht
Eugen David
Das Gemeinwesen1 hat als Arbeitgeber nach BVG und OR, wie andere Arbeitgeber in der beruflichen Vorsorge, insbesondere folgende Pflichten mit finanziellen Auswirkungen auf den Finanzhaushalt des Gemeinwesens.
Es stellt sich die Frage, ob und - gegebenenfalls - unter welchen Voraussetzungen bei der Erfüllung der Arbeitgeberpflichten im Falle einer Unterdeckung der BVG-Vorsorgeeinrichtung das Finanzreferendum zum Zuge kommt, insbesondere wenn das Gemeinwesen die Option Teilkapitalisierung wählt.
Im Falle einer Unterdeckung kann die Vorsorgeeinrichtung vom Arbeitgeber zur Behebung der Unterdeckung Sanierungsbeiträge erheben. Die Sanierungsbeiträge des Arbeitgebers müssen mindestens gleich hoch sein wie die Summe der Beiträge der Arbeitnehmer.
Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement vorsehen, dass der Arbeitge- ber im Fall einer Unterdeckung Einlagen in ein gesondertes Konto Arbeitgeber- beitragsreserve mit Verwendungsverzicht (AGBR mit Verwendungsverzicht) vornehmen und auch Mittel der ordentlichen Arbeitgeberbeitragsreserve auf dieses Konto übertragen kann.5
Mit der BVG-Revision vom 17. Dezember 2010 stellte der Gesetzgeber ausdrücklich den Grundsatz auf, dass sämtliche Verpflichtungen einer Vorsorgeein- richtung durch Vorsorgevermögen gedeckt sein müssen (Grundsatz der Vollkapitalisierung).6
Tritt eine Unterdeckung ein, muss die Vorsorgeeinrichtung Sanierungsmassnahmen ergreifen, was zu finanziellen Verpflichtungen der Versicherten und deren Arbeitgeber führen kann.
In Abweichung vom allgemeinen Grundsatz der Vollkapitalisierung hält die BVG-Revision vom 17. Dezember 20107 öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen8 zwei Optionen offen9:
Bei Vollkapitalisierung wie bei Teilkapitalisierung liegt die Ergreifung von Sanierungsmassnahmen in der Kompetenz und Verantwortung der Vorsorgeeinrichtung (und nicht der öffentlich-rechtlichen Körperschaft).
Die öffentlich-rechtliche Körperschaft ist im Fall der Unterdeckung, nach den jeweiligen unterschiedlichen gesetzlichen Regeln, als Arbeitgeber zur Leistung von Sanierungsbeiträgen verpflichtet.10
Der globale Deckungsgrad12 der Vorsorgeeinrichtung muss 100% betragen. Eine allfällige Unterdeckung per 1. Januar 2012 muss innert 5 bis 7 Jahren, spätestens nach 10 Jahren saniert sein.13 Eine vor dem 1. Januar 2012 bestehende Staatsgarantie kann nach Artikel 72f BVG erst aufgehoben werden, wenn die Ausfinanzierung [inkl. Wertschwankungsreserven] erfolgt ist.14/15
Auch bei Vollkapitalisierung ist selbstverständlich über das BVG hinaus - im Sinn einer freiwilligen Zusatzleistung des Gemeinwesens als Arbeitgeber – eine Staatsgarantie möglich. Pflicht besteht aber keine.
Die Vorsorgeeinrichtung muss bereits vor dem 1.1.2012 als öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtung eines Gemeinwesens geführt worden sein und zwar mit Staatsgarantie im Sinne von Artikel 45 Absatz 1 aBVV2.17
Eine Pflicht zur Fortführung einer bestehenden Teilkapitalisierung besteht für das Gemeinwesen nicht.18 Es kann die Option Vollkapitalisierung wählen.
Die Vorsorgeeinrichtung muss spätestens ab 1.1.2014 die Rechtsform einer Einrichtung des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit unter Leitung eines paritätisch besetzten Leitungsorgans haben.19
Die Kompetenzen des paritätischen Leitungsorgans können vom Gemeinwesen nur noch durch den Erlass von Bestimmungen über die Leistungen oder alternativ über die Finanzierung (jedoch nicht über beide) eingeschränkt werden.20
Das Gemeinwesen muss ab 1.1.2012 die im jeweiligen Beurteilungszeitpunkt versicherungstechnisch notwendigen Deckungskapitalien für alle Versicherten und für die erwerbstätigen Versicherten für sich allein genommen mindestens in dem Umfange garantieren als das am 1.1.2012 vorhanden Vorsorgevermö- gen (Ausgangsdeckung) zur Deckung nicht ausreicht.
Anders als nach aBVG müssen Deckungslücken der öffentliche-rechtlichen Vor- sorgeeinrichtung unterhalb der Ausgangsdeckung vom Gemeinwesen mit der Staatsgarantie nicht garantiert werden. 21
Die Staatsgarantie gilt in diesem Umfange auch für Versicherte von Arbeitge- bern, die der Vorsorgeeinrichtung des Gemeinwesens angeschlossen sind.22
Der Deckungsgrad23 für die Verpflichtungen gegenüber den Rentnern muss ab 1.1.2012 stets 100% betragen.24 Sinkt der Deckungsgrad unter 100% muss die Vorsorgeeinrichtung Sanierungsmassnahmen25 ergreifen.26
Als Verpflichtung gegenüber den Rentnern haben auch die von der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung vor dem 1.12.2012 zugesprochenen Teuerungszulagen auf den Renten zu gelten. Auch für diesen Teil der Renten, der zum individuellen Rentenanspruch gehört, muss der Deckungsgrad per 1.1.2012 100% betragen, es sei denn, frühere Teuerungsanpassungen werden im Rahmen von Sanierungsmassnahmen ganz oder teilweise als Rentnerbeitrag herangezogen.27
Da der Teuerungsausgleich auf den Altersrenten vom BVG nicht vorgeschrieben ist28 und reglementarische Rentenanwartschaften in privatrechtlichen wie öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen schon vor dem 1.1.2012 abänderlich waren, gehören künftige Teuerungsanpassungen von Altersrenten nicht zu den zu 100% zu deckenden Verpflichtungen, es sei denn, der bisherige öffentlich-rechtliche Arbeitgeber habe in seinem Vorsorgereglement einen Anspruch auf Teuerungsausgleich auf den Altersrenten zugunsten der Rentner ein für alle Mal festgelegt und von den Einwirkungen der gesetzlichen Entwicklung ausdrücklich ausgenommen29.
Die gesetzliche Vorschrift, wonach die Verpflichtungen gegenüber den Rentnern per 1.1.2012 zu 100% gedeckt sein müssen30, bedeutet im Ergebnis, dass eine global per 1.1.2012 fehlende Deckung der Vorsorgeeinrichtung zulasten der Deckung der Ansprüche der erwerbstätigen Versicherten per 1.1.2012 geht und deren Ausgangsdeckungsgrad entsprechend senkt.
Der am 1.1.2012 bestehende Deckungsgrad31 für die Verpflichtungen gegenüber den erwerbstätigen Versicherten darf nicht mehr unterschritten werden.32 Sinkt der Deckungsgrad unter den Ausgangsdeckungsgrad333 muss die Vorsorgeeinrichtung Sanierungsmassnahmen34 ergreifen.35
Der am 1.1.2012 bestehende Deckungsgrad für die Verpflichtungen gegenüber den erwerbstätigen Versicherten und den Rentnern (globaler Deckungsgrad36) darf nicht mehr unterschritten werden.37
Sinkt der globale Deckungsgrad unter den Ausgangsdeckungsgrad38 muss die Vorsorgeeinrichtung Sanierungsmassnahmen39 ergreifen.40
Ausserdem dürfen der jeweils aktuell bestehenden globale Deckungsgrad und der jeweils aktuell bestehende Deckungsgrad für erwerbstätige Versicherte – soweit er unter 100% liegt - nicht mehr unterschritten werden, andernfalls müssen Sanierungsmassnahmen ergriffen41 werden.42
Liegt am 1.1.2012 der globale Deckungsgrad unter 80% muss die Vorsorgeeinrichtung spätestens bis zum 31. Dezember 2051 mit Sanierungsmassnahmen43 eine Ausfinanzierung bis zu einem Deckungsgrad von 80% vornehmen.44
Wie in allen andern Fällen einer Unterdeckung muss auch in diesem Fall die Vorsorgeeinrichtung selbst45 innert der gesetzten Frist die Unterdeckung mit den gesetzlich vorgesehenen und zulässigen Massnahmen beheben.
Nach Auffassung der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge ist der öffentliche Arbeitgeber bei der Aufstellung des Sanierungsplans allerdings mit dem Grundsatz von Treu und Glauben konfrontiert, nachdem er bisher die von ihm, ohne paritätische Mitbestimmung der Versicherten, erlassenen Beitragsordnungen und Leistungspläne ohne Vollkapitalisierung mit der Haftung des Gemeinwesens gerechtfertigt hat.46
Den Aufsichtsbehörden steht zwar nur eine Rechtskontrolle zu. Angesichts der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe in den Sanierungsregeln des BVG47 hat ihre Bewertung dennoch erhebliches Gewicht.
Gelingt es der selbständigen öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung bis am 31.12.2051 nicht, mit eigenen Massnahmen48 einen globalen Deckungsgrad von 80% zu erreichen, ist das garantierende Gemeinwesen verpflichtet, per 31.12.2051 die Deckungslücke bis zum gesetzlich geforderten globalen Deckungsgrad von 80% auszufinanzieren.
Liegt am 1.1.2020 der globale Deckungsgrad unter 60%, muss das Gemeinwesen, das als Arbeitgeber der Vorsorgeeinrichtung angehört, der Vorsorgeeinrichtungen auf der Differenz den BVG-Mindestzins49 nach Artikel 15 Absatz 2 BVG entrichten.50
Liegt am 1.1.2030 der globale Deckungsgrad unter 75%, muss das Gemeinwesen, das als Arbeitgeber der Vorsorgeeinrichtung angehört, der Vorsorgeeinrichtungen auf der Differenz den BVG-Mindestzins nach Artikel 15 Absatz 2 BVG entrichten.51
Die öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtung muss vor dem 1.1.2014 der Aufsichtsbehörde in einem Finanzierungsplan mit allfällig notwendigen Sanierungsmassnahmen nachweisen, dass sie die vorstehenden Bedingungen erfüllen kann, um die Bewilligung für die Option Teilkapitalisierung zu erhalten.52
Das Gemeinwesen als Garant behandelte seinerseits nach dem geltenden Finanzhaushaltrecht die Garantie für eine Deckungslücke seiner öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung57 als nicht zu bilanzierende Eventualverpflichtung58, die unter dem Bilanzstrich aufzuführen war59.
Das Harmonisierte Rechnungslegungsmodell für die Kantone und Gemeinden (HRM2) ist die fachliche Grundlage für die Rechnungslegung der Kantone und Gemeinden. Es wurde im Auftrag der Konferenz der Kantonalen Finanzdirektoren (FDK) erarbeitet, von ihr 2008 genehmigt und in einem Handbuch mit den Fachempfehlungen publiziert (Handbuch HRM-2).
Gleichzeitig setzte die FDK ein Schweizerisches Rechnungslegungsgremium für den öffentlichen Sektor (SRS-CSPCP) ein, u.a. mit dem Auftrag Erläuterungen zum HRM2 zu entwickeln.
Zur Fachempfehlung Nr. 9, Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten, hat das SRS 2009, noch vor dem definitiven Erlass des BG vom 17. Dezember 2010 über die Revision des BVG60, Erläuterungen abgegeben.
Eine Rückstellung ist zu bilden, wenn es sich um eine gegenwärtige Verpflichtung handelt, deren Ursprung in einem Ereignis der Vergangenheit liegt, der Mittelabfluss zur Erfüllung der Verpflichtung eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 Prozent hat, die Höhe der Verpflichtung zuverlässig geschätzt werden kann und der Betrag wesentlich ist. 61
Eine Eventualverbindlichkeit ist im Anhang der Jahresrechnung zu erfassen, wenn es sich um eine gegenwärtige Verpflichtung handelt, die wahrscheinlich nicht zu einem Mittelabfluss führt, jedoch eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit besteht, oder es sich um eine gegenwärtige Verpflichtung handelt, die wahrscheinlich zu einem Mittelabfluss führt, deren Höhe jedoch nicht verlässlich geschätzt werden kann, oder es sich um eine mögliche Verpflichtung handelt, deren Existenz von zukünftigen Ereignissen abhängt, die nicht vollständig unter der Kontrolle des Gemeinwesens stehen, und eine Rechtsgrundlage vorhanden sowie der Betrag wesentlich ist. Sind die Kriterien für Eventualverbindlichkeiten erfüllt, müssen diese erfasst werden und im Anhang zur Jahresrechnung unter dem Gewährleistungsspiegel offen gelegt werden.62
Zeichnet sich kein Mittelabfluss zur Erfüllung einer Garantie mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50% ab, ist eine Garantieleistung als Eventualverbindlichkeit im Anhang aufzuführen, andernfalls ist eine Rückstellung zu bilden.63
Diese allgemeinen Grundsätze des Finanzhaushaltsrechts sind auch auf weitergeführte Staatsgarantien nach Artikel 72a ff. BVG anwendbar.64
Garantieleistungen für Pensionskassen-Deckungslücken im Sinne von Artikel 45 Absatz 2 aBVV sind nach der Fachempfehlung Nr. 9 als Eventualverpflichtung auszuweisen.
"Erst im Zeitpunkt der Fälligkeit wird die Eventualverpflichtung beim Gemeinwesen zur verzinslichen bilanzierungspflichtigen Schuld bzw. bei der Vorsorgeeinrichtung zur bilanzierungspflichtigen Forderung.“65
Für die Garantieleistung nach neuem Recht (Artikel 79c BVG) gilt dasselbe. Die Behandlung als Eventualverbindlichkeit kann dann nicht beibehalten werden, sondern es muss eine bilanzierungspflichtige Rückstellung gebildet werden, wenn der Finanzierungsplan66 die Notwendigkeit von verbindlichen Sanierungsmassnahmen mit voraussehbaren Zahlungspflichten des Gemeinwesens als Garantin und/oder Arbeitgeberin ausweist.
Ebenso muss - wie nach altem Recht - in der Bilanz des Gemeinwesens, das die Garantieerklärung nach Artikel 72c BVG abgibt, eine Rückstellung gebildet werden, wenn eine Teilliquidation einer teilkapitalisierten Vorsorgeeinrichtung zu erwarten ist.
Der Ersatz der bisherigen - im Rahmen des BVG - weitgehend autonomen Steuerungskompetenz der Gemeinwesen durch die neue, paritätisch auszuübende Steuerungskompetenz des Leitungsorgans der Vorsorgeeinrichtung ist qualitativ die wichtigste Änderung.
Das Gemeinwesen hat, im Sinne einer Ausnahme zur grundsätzlichen Kompetenzübertragung auf das paritätische Leitungsorgan, noch die Option entweder Bestimmungen über die Leistungen oder alternativ über die Finanzierung zu erlassen (jedoch nicht über beide).67
Grundsätzlich läge die Kompetenz für das Organisationsrecht von kantonalen und kommunalen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen beim Kanton.68 Die Organisationsfreiheit der Kantone für öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen (Stiftungen oder Anstalten) wird jedoch durch das BVG stark eingeschränkt.
Gemeinwesen sind als Arbeitgeber verpflichtet, sich einer registrierten Vorsorgeeinrichtung anzuschliessen oder selber eine in das Register für die berufliche Vorsorge eingetragene Vorsorgeeinrichtung zu errichten.69
Gemeinden sind befugt, selbst die ihnen zusagende Lösung zu wählen. Die Kantone dürfen in diese Kompetenz nicht eingreifen.70
Entscheidet sich ein Gemeinwesen für die Errichtung einer nach BVG registrierten öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung, hat sie entweder die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Stiftung oder einer Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit zu wählen.71
Beides kann nach dem Legalitätsprinzip72 und nach BVG nur mittels rechtsetzendem Erlass erfolgen.
Die Organisation der Vorsorgeeinrichtung, der die Gemeinde durch Anschluss angehört oder die sie selbst errichtet, wird weitestgehend durch das BVG normiert.
Neben der Errichtung sind im rechtsetzenden Erlass nach BVG jedenfalls zu regeln:
Das kommunale Referendum ist kein Institut des Bundesrechts, sondern ein Institut des kantonalen und kommunalen Rechts.76
Einzuhalten sind dabei die grundrechtlichen Vorgaben der Bundesverfassung77. Die Grundrechtsbindung78 gilt für alle Organe des Gemeinwesens, auch für die auch für Beschlüsse der Stimmberechtigten in Urnenabstimmungen, Landsgemeinden oder Gemeindeversammlungen. Dem Bundesgericht obliegt - nach eigener Rechtsprechung79 - die Kontrolle darüber, dass das Referendum, wo es vorgesehen ist, unter Berücksichtigung seiner staatspolitischen Funktion gehandhabt und nicht seiner Substanz entleert wird.
Dem Gesetzesreferendum unterstehen – dort, wo es vorgesehen ist - rechtsetzende Bestimmungen von wesentlicher Bedeutung. Dazu gehören rechtsetzende Bestimmungen über die Erfüllung der vorsorgerechtlichten Pflichten, die dem Gemeinwesen als Arbeitgeber nach BVG obliegen.
Dem Finanz Referendum unterstehen - dort, wo es vorgesehen ist - neue einmalige oder wiederkehrende Ausgaben, die bestimmte, in Frankenbeträgen festgesetzte Limiten überschreiten. Entsprechend dem Finanzhaushaltsrecht gelten Eventualverpflichtungen auch im Referendumsrecht – ohne anderslautende ausdrückliche Vorschrift – nicht als Ausgabe, da damit kein Mittelfluss verbunden ist.
Als neu gelten Ausgaben, die sich nicht aus bestehenden rechtlichen Verpflichtungen ergeben oder wenn bei einer rechtlich vorbestimmten Ausgabe sachlich oder zeitlich ein erheblicher Entscheidungsspielraum besteht.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Ausgabe gebunden, wenn sie durch einen Grunderlass so stark vorherbestimmt ist, dass für ihre Vornahme in sachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht kein erheblicher Handlungsspielraum mehr besteht.80
Ist das „Ob“ einer Ausgabe weitgehend durch den Grunderlass präjudiziert, kann dennoch ein verhältnismässig grosser Handlungsspielraums betreffend das „Wie“ der Ausgabe die Mitsprache des Volkes rechtfertigen. 81
Der Erlass des Gemeinwesens für die Errichtung der selbständigen öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung nach BVG mit Weiterführung der Teilkapitalisierung untersteht – ohne ausdrücklich anderslautende Bestimmung – unter das fakultative Gesetzesreferendum.
Die auf der Ebene des Gemeinwesens zu erlassenden Regeln sind nicht blosses Vollzugsrecht zum BVG, das von der Exekutive umgesetzt werden könnte.
Das BVG bietet dem Gemeinwesen für Erfüllung seiner Arbeitgeberpflichten nach Artikel 11 BVG mehrere Optionen an, aus welchen es auswählen kann (vgl. dazu auch BGE 135 I 28).
Der Entscheidungsspielraum des Gemeinwesens bei der Rechtsetzung ist dementsprechend nicht gering, was nach dem Legalitätsprinzip82 Rechtsetzung durch die Legislative mit fakultativem Referendum voraussetzt.
Das Finanzhaushaltrecht83 qualifiziert die Staatsgarantie nicht als Ausgabe, sondern als Eventualverpflichtung, solange ein Mittelabfluss zulasten des Finanzvermögens der Gemeinde eine Eintretenswahrscheinlichkeit unter 50% hat.
Zu unterscheiden sind drei Fälle.
Solange und in dem Umfange als im Zeitpunkt der Weiterführung der Staatsgarantie keine Sanierungsmassnahmen notwendig sind, an der sich das Gemeinwesen als Garantin84 und/oder als Arbeitgeberin mit konkreten Zahlungsverpflichtungen beteiligen muss, bleibt es bei einer Eventualverpflichtung, die nicht den Charakter einer referendumspflichtigen Ausgabe hat.
Entscheidend ist, dass kein Mittelabfluss zulasten des Finanzvermögens mit einer Eintretenswahrscheinlichkeit von >= 50 Prozent stattfindet, was nicht der Fall ist, wenn der im Zuge der Weiterführung der Staatsgarantie nach BVG aufzustellende Finanzierungsplan85 keine Zahlungsverpflichtungen des Gemeinwesens in einer bestimmten Zeitperiode vorsieht.
Ergeben sich hingegen bei der Errichtung der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung oder beim Anschluss an eine bestehende Vorsorgeeinrichtung aufgrund des Finanzierungsplans86 für das Gemeinwesen als Arbeitgeber und/oder als Garant87 Zahlungsverpflichtungen zugunsten der Vorsorgeeinrichtung, liegt referendumsrechtlich eine Ausgabe vor.
Entschliesst sich das Gemeinwesen bei der Errichtung der öffentlich- rechtlichen Vorsorgeeinrichtung oder beim Anschluss an eine bestehende Vorsorgeeinrichtung zu freiwilligen, im Finanzierungsplan nicht vorgegebenen Zahlungsverpflichtungen als Arbeitgeberin, liegt ebenfalls referendumsrechtlich eine Ausgabe vor.
Dies gilt beispielsweise auch dann, wenn sich das Gemeinwesen entschliesst, die Deckung der vor dem 1.1.2012 von der bisherigen Vorsorgeeinrichtung den Rentner zugesagten Teuerungszulagen mit einem einma- ligen Beitrag an die neue selbständige Vorsorgeeinrichtung auszufinanzieren statt sie wie bisher zu garantieren. Damit wird eine bisherige Eventualverpflichtung in eine Zahlungsverpflichtung umgewandelt und damit referendumsrechtlich zur Ausgabe.
Ausschlaggebend ist das Kriterium des Handlungsspielraums.88 Besteht bezüglich der Modalitäten der Weiterführung der Staatsgarantie, soweit sie finanzielle Auswirkungen haben, unter dem neuen Artikel 72c BVG ein erheblicher Handlungsspielraum oder besteht ein solcher Handlungsspielraum nicht?
Zu unterscheiden sind drei Fälle.
Wenn die Staatsgarantie im geltenden Recht der Pensionskasse des Gemeinwesens verankert ist, haben die rechtsetzenden Organe des Gemeinwesens damit bei Erlass des geltenden Pensionskassenreglements den bestehenden Handlungsspielraum bezüglich der Finanzierung der Pensionskasse durch öffentliche Mittel bereits ausgeschöpft und die Gemeinde rechtlich mit einer Staatsgarantie gebunden. Bindende Grunderlasse sind das geltenden PK-Reglement, das dem fakultativen Referendum unterstand, sowie das BVG und das OR.
Die neue Staatsgarantie nach Artikel 72c BVG geht in aller Regel nicht über die bestehende Staatsgarantie der PK-Reglemente hinaus.
Aus der Weiterführung der Staatsgarantie ergibt sich daher keine neue Ausgabe. Selbst wenn unterstellt würde, es handle sich bei der Eventualverpflichtung haushalt- und referendumsrechtlich um eine Ausgabe, wäre sie jedenfalls nicht neu.
Aus der rechtlichen Bindung gemäss bestehendem Pensionskassenreglement könnte sich das Gemeinwesen nur mit zusätzlichen neuen Ausgaben befreien, weil sie die bestehende Pensionskasse in relativ kurzer Zeit ausfinanzieren müsste.89
Handelt es sich bei den im Finanzierungsplan vorgesehenen Sanierungsmassnahmen zulasten des Gemeinwesens um Zahlungsverpflichtungen, die gemäss Artikel 72a bis 72e, 65d Absatz 3 Buchstabe a und Artikel 65e Absatz 1 BVG von der Vorsorgeeinrichtung festgelegt werden können, fehlt auf Seiten des Gemeinwesens ein verhältnismässig erheblicher Entscheidungsspielraum bezüglich der daraus folgenden Ausgaben.
Die Ausgaben sind durch den Grunderlass BVG und die von der Vorsorgeeinrichtung festgelegten Regeln definiert. Es handelt sich um gebundene Ausgaben im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung.
Nach Artikel 50 Absatz 2 BVG90 können bei Vorsorgeeinrichtungen des öffentlichen Rechts entweder die Bestimmungen über die Leistungen oder jene über die Finanzierung von der betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft erlassen werden.
Diese Regelung eröffnet dem Gemeinwesen einen Handlungsspielraum mit drei Optionen:
Im ersten und zweiten Fall liegt keine neue Ausgabe im Sinne des Finanzhaushalts- und des Referendumsrechts vor, sondern eine Senkung bestehender Ausgaben bzw. die Beibehaltung bestehender Ausgaben nach dem geltenden Pensionskassenreglement. Im dritten Fall hingegen liegt eine neue Ausgabe vor.
Das Gemeinwesen kann als Arbeitgeber ausserdem freiwillig Einlagen in die Vorsorgeeinrichtung machen, um die nach dem Finanzierungsplan notwendigen Sanierungsmassnahmen zu Lasten der Arbeitnehmer zu vermeiden oder zu reduzieren. Die mit solchen freiwilligen Leistungen verbundenen Zahlungsverpflichtungen sind referendumsrechtlich neue Ausgaben.
Wenn sich das Gemeinwesen beispielsweise entschliesst, eine bisherige Garantie der Deckung der bis 31.12.2011 den Rentnern zugesagte Teuerungszulagen durch eine Einmalzahlung an die neue selbständige Vorsorgeeinrichtung auszufinanzieren, liegt eine neue Ausgabe vor, weil sich aus dem Bundesrecht eine unmittelbare Pflicht des Gemeinwesens ergibt, die bisherige Garantie der Deckung der vor dem 1.1.2012 zugesprochenen Teuerungszulagen bereits jetzt 90 (d.h. vor Ablauf der Übergangszeit91) in eine fällige Zahlungsverpflichtung umzuwandeln.
Erreicht die neue Vorsorgeeinrichtung bereits per 1.1.2012 den globalen Deckungsgrad von 80%, liegt - unabhängig von der Übergangszeit - eine neue Ausgabe vor, weil sich weder aus dem Bundesrecht, noch dem kantonalen und kommunalen Recht eine Pflicht des garantierenden Gemeinwesens ergibt, die garantierte globale Deckungslücke zwischen 80% und 100% einer teilkapitalisierten öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung auszufinanzieren92.
Richtig ist aber auch , dass die Ausfinanzierung der bisher garantierten Deckung, soweit der globale Deckungsgrad unter 80% liegt, spätestens bis am 31.12.2051 durch das Gemeinwesen erfolgen muss, der zeitliche und quantitative Handlungsspielraum also kontinuierlich abnimmt und die Ausfinanzierung bis zu einem globalen Deckungsgrad von 80% per 31.12.2051 für das Gemeinwesen eine gebundene Ausgabe darstellt wenn und soweit am 31.12.2051 noch eine Deckungslücke unter 80% besteht.
Eine gebundene Ausgabe läge auch dann vor, wenn die Aufsichtsbehörde im Rahmen der Genehmigung des Finanzierungsplanes93 der teilkapitalisierten neuen Vorsorgeeinrichtung eine Ausfinanzierung der Deckung der bis 31.12.2012 den Rentnern zugesprochenen Teuerungszulagen im Sinne einer dringend notwendigen Sanierungsmassnahme durch das garantierende Gemeinwesen verlangen würde.
Eine gebundene Ausgaben liegt schliesslich auch dann vor, wenn das Gemeinwesen nach bisherigem Recht der Pensionskasse jährlich die Mittel für den Teuerungsausgleich zur Verfügung zu stellen hatte, diese Mittel also jedes Jahr der Sonderrechnung der Vorsorgeeinrichtung zugewiesen werden oder vom allgemeinen Haushalt des Gemeinwesens getragen werden mussten und bei den Versicherten keine Beiträge zur Finanzierung des Teuerungsausgleich (Stand 31.12.2012) erhoben wurden. Eine solche altrechtliche Regel bedeutet, dass das Gemeinwesen als Arbeitgeber die Teuerung auf den Renten im Umlageverfahren und nicht im Kapitaldeckungsverfahren zu finanzieren hat.
Wird eine solche bestehende Verpflichtung in der Weise abgelöst, dass der notwendige Deckungsbetrag für die den Rentnern unter geltendem Recht zugesprochen Teuerungszulagen (Stand 31.12.2011) nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ausfinanziert wird, liegt eine gebundene Ausgabe vor.
Wenn der Übergang von der Umlagefinanzierung zur Kapitaldeckungsfinanzierung korrekt nach versicherungsmathematischen Grundsätzen erfolgt, liegt keine neue Ausgabe vor. Es kommt zu keinem zusätzlichen Mittelabfluss zulasten des Finanzvermögens des Gemeinwesens.
Die Regelung über die Weiterführung der Staatsgarantie für die Pensionskasse im Sinne von Artikel 72c BVG muss im Rahmen des Erlasses über die Errichtung der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung mit selbständiger Rechtspersönlichkeit dem fakultativen Gesetzesreferendum unterstellt werden.
Die Voraussetzungen des Finanzreferendums sind (mangels einer neuen Ausgabe) nicht erfüllt, wenn und soweit im Zuge der Weiterführung der Staatsgarantie weder das Leistungs- noch das Beitragsniveau angehoben wird und auch keine freiwilligen Einlagen in die Vorsorgeeinrichtung gemacht werden, sei es zu deren Sanierung oder zur Schaffung von Reserven.
Eine Kapitaldeckung (Ausfinanzierung) statt einer bisher allein vom Arbeitgeber ge- tragene Umlagefinanzierung von Vorsorgeleistungen (zB Teuerungsausgleich auf den Renten bis 31.12.2011) untersteht (mangels einer neuen Ausgabe) nicht dem Finanzreferendum.
Die Voraussetzungen des kommunalen Finanzreferendums sind (wegen einer neuen Ausgabe) erfüllt, wenn und soweit im Zuge der Weiterführung der Staatsgarantie das Leistungs- oder das Beitragsniveau angehoben wird und/oder freiwillige Einlagen in die Vorsorgeeinrichtung gemacht werden, sei es zur Sanierung der Vorsorgeeinrichtung oder zur Schaffung von Reserven, in beiden Fällen sofern die betragsmässigen Referendumslimiten überschritten werden.
15.03.2012
aBVG | Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, SR 831.40, in der bis 31.12.11 geltenden Fassung | |
aBBV2 | Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlas- senen-und Invalidenvorsorge, SR 831.441.1, in der bis 31.12.11 geltenden Fassung | |
BSV | Bundesamt für Sozialversicherungen | |
BVG | Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, SR 831.40 | |
BVV 2 | Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenvorsorge, SR 831.441.1 | |
Handbuch HRM2 | Handbuch Harmonisiertes Rechnungslegungsmodell für die Kantone und Gemeinden HRM2, Hrsg. Konferenz der Kantonalen Finanzdirekto- ren, 2008. | |
HRM2-ZH | Arbeitspapier des HRM2-Fachgremiums des Kantons Zürich, Vorsorge- verpflichtungen, Abbildung von Vorsorgeverpflichtungen unter HRM2, 24. Mai 2012 | |
Mitteilungen-BSV | Mitteilungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen über die berufliche Vorsorge | |
Mitteilungen-OAV | Mitteilung der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge | |
SRS | Schweizerisches Rechnungslegungsgremium für den öffentlichen Sektor | |
Weisungen | Weisungen des Bundesrates vom 27. Oktober 2004 über Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge, BBl 2004 6789 | |
ZGB | Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210 |