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zu Politik und Recht

Eugen David

Bundesratswahlen 2017/2018 – Weichenstellung gegen Europa

Die beiden freisinnigen Bundesräte, die das Parlament am 20. September 2017 und am 5. Dezember 2018 gewählt hat, folgen den Vorstellungen der Rechtsnationalen, lehnen die Europäische Union als nützliche politische Organisation für Europa ab und rechnen über kurz oder lang mit dem Untergang der EU.

Ihre Vorgänger aus derselben Partei beurteilten die Europäische Union positiv: als Voraussetzung für Friede, Freiheit und Wohlstand der Völker auf dem europäischen Kontinent und dies unabhängig vom Verhältnis der Schweiz zur EU.

Damit ist es vorbei.

Bis Ende 2003 teilten alle Mitglieder der Landesregierung die positive politische Beurteilung. Innert fünfzehn Jahren hat sich das Blatt völlig gewendet. Nunmehr lehnen vier von sieben Bundesräten die Europäische Union grundsätzlich ab.

Europafeindlichkeit als populäres Regierungsprogramm

Von der europafeindlichen Richtung wird in Politik und Medien die EU zum eigentlichen Feindbild hochstilisiert. Die EU-Ausländer wollen danach den Schweizern die Jobs wegnehmen, Sozialwerke plündern, die schweizerische Infrastruktur belasten, unsere Löhne drücken, als Firmenbosse die Schweizer unterjochen und überhaupt sich an unserem Wohlstand gütlich tun, ohne etwas zu leisten.

Wegen dieser weit herum populären Parolen will sich die neue Regierungsmehrheit gegen die EU abgrenzen. Die Grenzen sollen dicht gemacht und für Volk und Heimat ein Verteidigungsdispositiv an allen Fronten aufgebaut werden.

Der mühsame und ewige Entscheidungsprozess zum sog. Rahmenabkommen dokumentiert die neue Lage.

Ausstieg aus dem Rahmenabkommen ist das Ziel

Zwar wurden ab September 2017 die fünf Jahre alten Verhandlungen offiziell weiter geführt. Allerdings mit einem neuen Ziel: schickliche Beerdigung des Rahmenvertrags. Dem Bundesrat war schon lange bekannt, dass die nationalen roten Linien des neuen Aussenministers keinen Bezug zur Verhandlungs-Realität hatten. Die Ausstiegsstrategie wurde gesucht, war aber noch nicht gefunden.

Alles hinausschieben, bis das Kind mit gütiger Unterstützung der Gewerkschaften von selbst in den Brunnen fällt, lautet jetzt die Devise.

A la Trump verbreitet die neue Politik in der Öffentlichkeit Anti-EU-Parolen, im Sinne von „Switzerland first“ und „Wir brauchen die EU nicht, sie braucht uns.“. Mit solchen Visionen kann man auch als Regierung punkten, entfernt sich jedoch von der pragmatischen Realpolitik im Interesse der Schweiz.

Unter anderem wurde im Sommer 2018 die Schweizer Börse zum Bollwerk erklärt. Von höchster Stelle ist ein Verteidigungsdispositiv vorbereitet. Mit Handelsverboten im Ausland, von denen noch niemand weiss, wie man sie durchsetzen will.

Zutritt zum Binnenmarkt ohne Pflichten

Die simple Logik, dass der Zutritt der Schweizer Börse zum europäischen Binnenmarkt – wie jeder andere Marktzutritt - eine Anerkennung der Binnenmarkt-Regeln durch die Schweiz voraussetzt, betrachtet die neue Regierungsmehrheit als unfaire Diskriminierung unseres Landes.

Und überhaupt: man hat höhere nationale Ziele. Möglichst viele Ausländer sollen das Land umgehend verlassen, damit die Züge nicht mehr überfüllt sind.

Die Schweiz fordert von der EU immer wieder den Zutritt zum europäischen Binnenmarkt. Gleichzeitig lehnt sie es ab, das gemeinsame europäische Binnenmarktrecht einzuhalten. Dazu werden unter Berufung auf die schweizerische Souveränität „rote Linien“ eingesetzt.

Der neuen Regierung kann nicht entgehen, dass der Binnenmarkt nur funktioniert, wenn sich alle 32 beteiligten Länder an die Binnenmarktregeln halten. Deshalb hatte die alte Regierung 2013 der EU-Kommission zu Beginn der Verhandlungen mitgeteilt, eine gleichmässige Anwendung des europäischen Binnenmarktrechts in allen 32 beteiligten Länder, auch in der Schweiz, sei unbestritten.

Auch damit ist es vorbei: der Reset-Button ist gedrückt.

Was heisst souverän?

Die europäischen Länder leben heute mit einer gemeinsamen, geteilten Souveränität, weil sie wissen, dass der europäische Kontinent im weltweiten Gerangel nur so die Zukunft für seine Bewohner bewältigen kann. Gemeinsam ist man stärker: das gilt im Globalisierungsdruck vor allem für die Sicherheits- und die Wirtschaftspolitik. Ein Beispiel: der Euro ist heute - nach dem Dollar - die zweitwichtigste Weltwährung. Eine Position, welche die alten Währungen der Euro-Länder nie hätten erreichen können.

Diese Erkenntnis gilt – nach den Verlautbarungen der Mitglieder der Regierungsmehrheit – nicht für die Schweiz. Sie meinen: allein sind wir unschlagbar.

Gleichzeitig übernehmen sie still und leise - im autonomen Nachvollzug - die Regeln der EU, wie gegenwärtig im Datenschutz und im Finanzmarktrecht. Sie betteln bei der EU-Kommission um Äquivalenz-Anerkennung der Schweizer Institutionen und Regeln, wie gegenwärtig im Fall der Schweizer Börse.

Dass die Schweiz zu den europäischen Binnenmarktregeln nichts zu sagen hat, ist selbst gewähltes Schicksal. Die neue Regierungsmehrheit will sich auf keinen Fall an den europäischen Gremien beteiligen und über die europäischen Regeln in EU-Parlament, Rat, Gericht und Kommission mitentscheiden. Das wäre – so wird von der neuen politischen Mehrheit argumentiert – der Untergang der Schweiz.

Sackgasse

Mit seinen neuen Europa-Positionen manövriert der Bundesrat die Schweiz in eine Sackgasse.

Ob die die Bevölkerungsmehrheit gleich denkt, ist zumindest fraglich. Die Rechtsnationalen haben die meisten Europa-Abstimmungen verloren, letztmals am 25. November 2018. Zwei Drittel der Stimmenden haben es abgelehnt, die Umsetzung des europäischen Binnenmarktrechts in der Schweiz zu verunmöglichen. Das war das Ziel der Rechtsnationalen. Deswegen haben sie die sog. Selbstbestimmungs-Initiative lanciert.

Die neue Regierungsmehrheit wird eines Tages feststellen, dass sie in einer Sackgasse gelandet ist. Als finalen Ausweg wird sie zusammen mit den Rechtsnationalen dem Volk die Kündigung der bilateralen Verträge beantragen. Dann werden die Karten neu verteilt.

07.12.2018

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