Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Bundesrat und Mullahs



Die Aussenpolitik des Bundesrates fokussiert seit Jahren zunehmend auf autoritäre Regime, sei es in Russland, in China, in der Türkei, in Saudiarabien, in Kasachstan oder im Iran.

Die Beziehungen zum diktatorischen Regime der Mullahs im Iran sind besonders eng und durch viele Abkommen, Berichte, Statements und Bilder dokumentiert.


Seit die Mullahs 1979 an die Macht kamen, ist deren Unterstützung ein Pfeiler der bundesrätlichen Aussenpolitik. Die Politik des Westens, das totalitäre Mullah-Regime zu isolieren, lehnt er ab.

Die Macht der Mullahs

Der Iran verfügt über Öl und Gas.

Mit dem Geld aus dem Rohstoffhandel und mit militärischer Aufrüstung wollen sich die Mullahs im Nahen Osten als massgebende islamistische Macht mit Atomwaffen etablieren und die schiitisch Scharia als Gesellschaftsordnung bei sich und ihren Nachbarn erzwingen.

Sie sind im Irak, im Libanon, in Syrien und im Jemen mit den Revolutionsgarden militärisch aktiv. Sie liefern an Hamas und Hisbollah tausende Raketen, welche diese gegen Israel einsetzen. Sie versuchen mit Gewalt ihre Sicht des Islamismus durchzusetzen. Viele Menschen kommen in den Konflikten um.

Im eigenen Land sind allein ab 2015 über 2800 Menschen hingerichtet worden, davon eine grosse Zahl Dissidente.

Abkommen mit den Mullahs

Der Bundesrat kann im totalitären Mullah-Regime nichts Negatives erkennen.

Er hat mit den iranischen Mullahs im Interesse der Schweizer Wirtschaft Abkommen um Abkommen ausgehandelt:

  • 2018 Landverkehr
  • 2017 Handelsabkommen
  • 2004 Luftverkehr
  • 2002 Doppelbesteuerungsabkommen
  • 1998 Investitionsschutzabkommen

Einen Peak erreichten seine geschäftlichen Aktivitäten im Jahr 2008.

SP-BR Calmy-Rey vereinbarte mit den Mullahs Gaslieferungen im Wert von Milliarden über eine neu zu bauende Pipeline nach Italien und von dort in die Schweiz.

Die schweizer Medien feierten das Abkommen als grossen Erfolg der SP Bundesrätin. Hat sie doch eine eigenständige schweizer Energieversorgung aus dem Iran versprochen – unabhängig von der ungeliebten Europäischen Union.

Kurze später musste der Bundesrat den Handel wegen einer Intervention aus Washington still und leise beerdigen.

Freundschaftliche Roadmap

„Eingedenk der freundschaftlichen Beziehungen“ zwischen Iran und der Schweiz vereinbart der Bundesrat am 27. Februar 2016 mit den Mullahs eine Roadmap für eine Vertiefung der Beziehungen.

In sämtlichen Politikbereichen will danach die Landesregierung mit regelmässigen Ministertreffen eng mit dem iranischen Regime zusammenarbeiten.

Genannt werden: Wirtschaft und Finanzen, Strassenverkehr, Luftverkehr, Bahnverkehr, Landwirtschaft, Tourismus, Wissenschaft, Forschung, Technik, Umwelt, Archive, nukleare Sicherheit, Migration, Justiz etc.

Gleichzeitig verspricht der Bundesrat den Mullahs, den iranischen WTO-Beitritt aktiv zu unterstützen, ungeachtet des Widerstands westlicher WTO-Mitglieder.

Weiter verspricht er, mit der schweizer Exportrisikoversicherung den Aufbau von Bankbeziehungen des Irans zur Schweiz fördern. Die Wiedereingliederung der iranischen Finanzmärkte in das globale Finanzsystem und Finanztransaktionen zwischen beiden Ländern will er erleichtern.

Der Bundesrat will den Mullahs aus der internationalen Isolation helfen. Er will Brücken zu den Mullahs bauen. Er will sich als Briefträger der Mullahs zu westlichen Ländern zur Verfügung stellen und dort ihre Interessen vertreten.

Unter dem Gesichtspunkt seiner Neutralitätspolitik sieht der Bundesrat keine Probleme. Die ausgedehnten militärischen Aktivitäten der iranischen Revolutionsgarden im Nahen Osten sind im formalen, wertfreien Neutralitätskonzept der aktuellen SVP/FDP-Koalition irrelevant.

Dasselbe gilt für den Aufbau iranischer Atomwaffen und den Krieg gegen Israel durch die von Iran abhängigen Milizen von Hamas und Hisbollah.

Am 16. Mai 2019 reist SVP-BR Maurer auf Aufforderung des damaligen US-Präsidenten Trump nach Washington. Dort verlangte Trump, Maurer solle ihn telefonisch mit dem Obersten Führer Mullah Chamenei verbinden.

Das geforderte Telefon kommt, trotz grosser Anstrengungen von SVP-BR Maurer und der schweizer Diplomaten in Teheran, nicht zustande.

"Humanitäres Handelsabkommen"

Im Januar 2020 verfassen SVP-BR Parmelin und FDP-BR Cassis zusammen mit den Mullahs zwecks Aufweichung westlicher Sanktionen ein "Schweizer humanitäres Handelsabkommen".

Dieses soll einen Zahlungsmechanismus exklusiv für schweizer Banken und Firmen (wie Nestlé, Novartis, Roche und Syngenta) ermöglichen, um gegen Bezahlung sog. „humanitäre Güter“ in den Iran liefern zu können.

Die USA waren einverstanden, verlangten aber Einsicht in die Lieferverträge. Dazu sind die schweizer Konzerne nicht bereit, weshalb die bundesrätliche Hilfe für die Mullahs im Sand verläuft.

Die Sanktionspolitik der USA, der EU und der UNO entziehen den Unterstützungsvorhaben des Bundesrates für das Mullah-Regime weitgehend den Boden.

Jedenfalls ist nicht erkennbar, was der Bundesrat bis heute von seinen hochfliegenden Plänen mit dem Iran umgesetzt hat. Er war genötigt, die Sanktionen der UNO zu befolgen. 2019 teilte er mit, er ziehe in Betracht, fallweise Sanktionen der EU nachzuvollziehen.

"Freundschaftliche Beziehungen" unantastbar

Nachdem EU und USA wegen der Gewaltexzesse des Mullah-Regimes im Herbst 2022 im eigenen Land gegen die eigene Bevölkerung weitere Sanktionen angeordnet haben, verfügen SVP-BR Parmelin und FDP-BR Cassis, die Schweiz werde sich an den Sanktionen nicht beteiligen.

Dass das Regime hunderte Demonstranten erschiesst, Tausende in Gefängnisse steckt und Frauen wegen fehlerhaften Kopftüchern an Leib und Leben verfolgt, bleibt in der bundesrätlichen Entscheidfindung aussen vor.

Nach Druck aus Parlament und Medien teilt FDP-BR Cassis am 5. Oktober 2022 auf Twitter mit, die Schweiz sei bestürzt über die zahlreichen Todesopfer anlässlich der Proteste im Iran.

Er fordert die Mullahs auf, „Zurückhaltung zu wahren“ und teilt mit, er habe am Rand der UNO-Vollversammlung in New York am 21. September 2022 den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini gegenüber dem iranischen Präsidenten Raisi angesprochen.

Was bedeutet „Zurückhaltung“ im Sinne von FDP-BR Cassis zum Schiessbefehl der Mullahs gegen die eigene Bevölkerung? Den Verantwortlichen Raisi dürfte die Mahnung aus der Schweiz kaum berührt haben.

Eine Beteiligung an den europäischen Sanktionen zieht er nicht in Betracht, selbstredend auch keinen Abbruch der "freundschaftlichen Beziehungen" zu den Mullahs gemäss Abkommen 2016.

Kein Grund zur Aufkündigung der „freundschaftlichen Beziehungen“ ist für SVP-BR Parmelin und FDP-BR Cassis der Umstand, dass diese dem Diktator Putin Drohnen liefern, damit er die Zivilbevölkerung in den ukrainischen Städten bombardieren kann.

SVP-BR Parmelin und FDP-BR Cassis verbieten Deutschland, der Ukraine in der Schweiz produzierte Luftabwehr-Munition zu liefern. Deutschland hat die Munition vom staatlichen Schweizer Rüstungsbetrieb RUAG gekauft.

Mit eidgenössischer Munition sollen keine iranischen Drohnen mit russischen Bomben vom ukrainischen Himmel abgeschossen werden.

Eine verfehlte Politik.

Weshalb pflegt der Bundesrat
enge Beziehungen zu diktatorischen Regime?

Warum unterstützt er das auf der Weltbühne verfemte Mullah-Regime?

Im europäischen Kontext spielt die schweizerische Aussenpolitik nach Ende des Kalten Kriegs, der Ablehnung des EWR im Jahre 1991 und der Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft 2020 kaum mehr eine Rolle.

In Europa hat die Schweiz aufgrund der Gründung der EU ihre früher angestrebte diplomatische Aktivität als neutraler Mittler zwischen Deutschland und Frankreich seit langem vollständig eingebüsst. Der Zusammenbruch der Sowjetunion beendete auch die gelegentlich ausgeübte Funktion als Dialogplattform für die Grossmächte.

Die europäische Aussenpolitik wird im Europäischen Rat und in der Europäischen Kommission verhandelt und entschieden.

Die aktuelle SVP/FDP-Koalition im Bundesrat lehnt jede Beteiligung der Schweiz in diesen europäischen Gremien ab. Dementsprechend ist die Schweiz auch nicht an der Gestaltung der europäischen Aussenpolitik beteiligt.

Die EU-Politik wird im EDA - wie in den andern Departementen - in der Regel ohne politische Mitgestaltung diskret auf Verwaltungsebene nachvollzogen.

Aufgrund der Distanzierung der SVP/FDP-Koalition von Europa ist die Schweiz von der europäischen Aussenpolitik praktisch ausgeschlossen.

Die isolierte Aussenseiterrolle in Europa will der schweizer Aussenminister mit einem Betätigungsfeld ausserhalb Europas und ausserhalb der westlichen Wertegemeinschaft kompensieren. Mit dem Ausbau von Beziehungen zu autoritären Regimes will er auf der Weltbühne, insbesondere von den Grossmächten, doch noch wahrgenommen zu werden.

Die von Diktatoren und Autokraten beherrschten Staaten schätzen die Dienstleistungen des schweizer Aussendepartements besonders dann, wenn sie – wie der Iran – diplomatisch isoliert sind.

Für die Schweizer Diplomatie öffnet sich hier eine unbesetzte Nische. Sie kann die Isolation der Diktatoren und Autokraten und ihre eigene Isolation in Europa mildern und erntet dafür deren Dank.

Im Januar 2020 erklärt der iranische Botschafter zum „humanitären Handelsabkommen“, die Rolle der Schweiz werde sehr geschätzt.

"Gute Dienste"

Die „Guten Dienste“ für Diktatoren werden zu einem Markenzeichen der schweizer Aussenpolitik.

Die Schweiz erbringt gegen Entschädigung konsularische Dienstleistungen, sog. „Gute Dienste“, für den Iran und für Russland, allein für den Iran in sieben Ländern.

Konsularische Dienstleistungen sind die Ausstellung von Ausweisen, die Beurkundung von Dokumenten, die Weiterleitung von Post, u.ä.

Das EDA will dieses Betätigungsfeld nicht verlieren. Neben wirtschaftlichen Erwägungen ist das mit ein Grund, weshalb der Bundesrat aktuell eine Beteiligung an den europäischen Sanktionen, trotz der Gewaltexzesse des Mullah-Regimes, ablehnt.

Zu bezweifeln ist, dass die derzeitige SVP/FDP-Koalition im Bundesrat die aussenpolitischen Prioritäten mit der Distanzierung von der EU und stattdessen Dienstleistungen für autoritäre Regime, im langfristigen Interesse der Schweiz setzt.

06.10.2022

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