Ansichten
zu Politik und Recht
Eugen David
Die Briten in der Schweiz sind heute EU-Bürger. Nach dem Personenfreizügigkeitsabkommen (PFZA) haben sie das Recht, in die Schweiz zu ziehen und hier eine Erwerbstätigkeit auszuüben.
Am 23. Juni 2016 hat die britische Bevölkerung in einem Referendum mit 51.9% den Austritt aus der EU beschlossen.
In den nächsten Jahren muss die britische Tory-Regierung diesen Beschluss umsetzen.
Mit dem Austritt verlieren die Briten voraussichtlich ab April 2019 dieses Recht. Sie sind neu Drittstaatsangehörige ohne Rechtsanspruch auf Aufenthalt in der Schweiz.
Neu sind sie dem schweizer Ausländergesetz unterstellt. Sie verlieren insbesondere ihr PFZA-Recht auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz.
Briten, die hier eine Erwerbstätigkeit ausüben wollen, benötigen ab Inkrafttreten des Austritts eine Bewilligung. Diese müsse sie bei der Behörde am Arbeitsort beantragen. Grundsätzlich müssten sie ausreisen und den Bewilligungsentscheid im Ausland abwarten.
Eine Bewilligung können sie nur erhalten, wenn nachgewiesen ist, dass für ihre Tätigkeit in der Schweiz keine inländischen Arbeitnehmer und auch keine EU-Bürger gefunden werden können.
Ausserdem können sie eine Bewilligung nur erwarten, wenn und soweit das vom Bundesrat im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Austritts festgelegte Ausländerkontigent noch nicht ausgeschöpft ist.
Briten, die zum Beispiel im schweizer Finanzbusiness arbeiten wollen, erleiden einen deutlichen Verlust in ihrer Rechtsposition. Natürlich kann der Schweizer Gesetzgeber bis April 2019 Änderungen beschliessen.
Kann die Schweiz ein bilaterales Abkommen mit UK abschliessen, wonach die bisherige Personenfreizügigkeit zwischen den beiden Ländern weiterhin gelten soll?
Ein solches Abkommen würde den Brexit-Zielen der aktuellen Tory-Regierung widersprechen.
Kommt es zu einem Regierungswechsel in UK wäre denkbar, dass der Stellenwert der Personenfreizügigkeit für die Europäer auch in UK wieder wächst und neue Abkommen möglich werden.
Auf Seiten der Schweiz gilt seit dem 9. Februar 2014 der SVP-Masseneinwanderungs-Artikel der Bundesverfassung, Artikel 121a BV. Danach muss die Schweiz die Zuwanderung aus Drittländern ausserhalb der EU kontingentieren.
Der Bundesrat darf daher keine Neuzuwanderer aus UK analog der EU-Personenfreizügigkeit zulassen, auch in Zukunft nicht nach einem Regierungswechsel in UK.
Es bleibt allenfalls die Möglichkeit, per Abkommen jenen Briten, die schon vor dem Brexit nach PFZA rechtmässig in der Schweiz lebten, den Aufenthalt weiter zu erlauben.Sie wären keine Zuwanderer im Sinne von Artikel 121a BV, wenn man in gewagter Interpretation unterstellt, der SVP-Masseneinwanderungsartikel gelten nur für Neuzuwanderer und nicht für Personen, deren völkerrechtlicher Rechtsanspruch auf Aufenthalt in der Schweiz weggefallen ist.
Die EU-Staaten haben nach ihrem nationalen Recht die Möglichkeit, Briten bei der Zuwanderung im Gegenrecht zu privilegieren. Eine Möglichkeit, welche die rechtsnationale SVP mit ihrem Masseneinwanderungsartikel 121a BV der Schweiz am 09.02.2014 verbaut hat.
Heute werden die Schweizer in UK aufgrund des PFZA am Arbeitsmarkt behandelt wie EU-Bürger. Sie haben insbesondere einen Rechtsanspruch auf Erwerbstätigkeit in Grossbritannien.
Dieser Rechtsanspruch fällt ab April 2019 dahin. Das dürfte vor allem für Schweizer von Belang sein, die in London bei Schweizer Banken oder Versicherungen beschäftigt sind.
Die Folgen für die Schweizer in Grossbritannien sind ebenso einschneidend, wie jene für die Briten in der Schweiz.
Ob sich ihre Aussichten verbessern, hängt davon ab, ob das britische Parlament den Schweizern in UK weiterhin ein Aufenthaltsrecht gewährt, sei es über die britische Gesetzgebung oder über einen Staatsvertrag mit der Schweiz.
Beides müsste vor Inkrafttreten des Brexits über die Bühne gehen.
Es ist kaum vorstellbar, dass die Briten nach dem Brexit schweizer Neuzuwanderer einen Aufenthaltsstatus einräumen, den sie EU-Bürgern verweigern.
Dies umso mehr als es dem Bundesrat durch den SVP-Verfassungsartikel 121a BV seit 09.02.2014 auch im Gegenrecht verboten ist, Neuzuwanderer aus UK besser zu behandeln als potentielle Zuwanderer aus andern Drittstaaten.
Der Liberale Guy Verhofstadt, MEP, Brexit-Verhandler für das EU-Parlament, hat eine assoziierte EU-Bürgerschaft vorgeschlagen, welche den Briten ab 2019 ein Aufenthaltsrecht im EU-PFZ-Raum, also auch in der Schweiz, vermitteln soll. Käme der Vorschlag durch, müsste Grossbritannien nicht mit jedem einzelnen der 31 andern PFZ-Staaten ein bilaterales Aufenthaltsabkommen abschliessen.
Indessen müssten für eine Realisierung des Vorschlags Verhofstadt die EU-Verträge abgeändert werden, was ein langwieriger Prozess ist. Alle 27 nationalen Parlamente der EU-Mitglieder müssten zustimmen.
Auch das PFZA CH-EU müsste angepasst und dem Referendum unterstellt werden. Die nationalen Regierungen und Parlamente würden einen solchen Schritt wahrscheinlich nur tun, wenn Grossbritannien ihren Bürgern analoge Rechte einräumt.
Das aber würde wiederum offensichtlichen den Brexit-Vorgaben der Tory-Regierung in UK widersprechen.
Der Vorschlag Verhofstadt hat daher kaum Chancen auf Realisierung.
Für die Schweiz sind diese Vorgänge von besonderem Interesse, weil sich bei einem Austritt der Schweiz aus dem europäischen Binnenmarkt ähnliche Probleme für Schweizer und Schweizerinnen in der EU und für EU-Bürger in der Schweiz stellen würden.
Zusätzlich fiele ins Gewicht das es der schweizer Regierung - anders als der UK-Regierung - per Verfassung 121a BV verboten wäre, EU-Bürger in Gegenrechts-Abkommen besser zu behandeln als die Bürger anderer Drittstaaten.
Der SVP-Masseneinwanderungsartikel 121a BV hat im Fall eines Schwexit zur Folge, dass Schweizerinnen und Schweizern ein rechtmässiger Daueraufenthalt in den Nachbarstaaten, Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich und darüber hinaus in ganz Europa, massiv erschwert würde.
Die rechtsnationale SVP will offenbar, dass Schweizerinnen und Schweizer in der Schweiz bleiben und die völkische Substanz im Land erhalten bleibt. Es bleibt die Frage, weshalb viele Schweizerinnen und Schweizer den anti-europäischen Heilsversprechen der rechtsnationalen SVP-Führer nachlaufen.
05.12.2016