Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Strategie
Aussenwirtschaftspolitik 2021
von WBF und SECO

Unter Führung von SVP-Bundesrat Parmelin haben am 24. November 2021 das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) ihre Strategie zur Aussenwirtschaftspolitik publiziert.

Der Bericht blieb ohne grosses Echo in der Öffentlichkeit. Medien und Politik sind mit der Pandemie beschäftigt.

Alte Ideologie

Nachdem der Bundesrat im Mai 2021 die Verhandlungen mit der EU, dem weitaus wichtigsten Handelspartner der Schweiz, abgebrochen hat, durfte man sich vom Strategiepapier neue Erkenntnisse erhoffen.

Indessen: das 54-seitige Paper aus dem SVP-Departement enthält nichts Neues.

Im Gegenteil: die alten dogmatischen SVP/FDP-Positionen, die zum Abbruch der Verhandlungen führten, werden mit der Aussage „Die Schweiz verfolgt weiterhin den bewährten bilateralen Weg mit der EU“ bekräftigt.

Der sog. „bilaterale Königsweg“ hat die Schweiz in eine Sackgasse geführt.

Resignation

Die mit der „Strategie“ befassten Verwaltungsstellen des SECO haben offenbar resigniert. Niemand will sich mit konstruktiven, realistischen Vorschlägen vorwagen. Man bleibt im Formalen, ohne Substanz, um innenpolitisch niemanden zu verärgern. Obwohl die konkreten Probleme im Verhältnis zur EU bestens bekannt sind.

Wahrscheinlich befürchten die Amtsstellen, sie könnten mit neuen Ideen politischen Lärm der rechtsnationalen SVP auslösen und würden dann öffentlich geohrfeigt.

Vermutlich hat bereits der Departementsvorsteher, BR Guy Parmelin, ein Anhänger der SVP, jedes diesbezügliche Risiko ausgeschlossen.

Mit seiner Partei ist er Gegner jeder europäischen Integration und vor allem derjenigen der Schweiz.

Die SVP ist der Ansicht, die EU müsse aufgelöst und der europäische Kontinent müsse wieder – wie im 19. Jahrhundert – auf konkurrierende und gegeneinander kriegführende Nationalstaaten aufgeteilt werden.

Dann macht die schweizer Neutralität endlich wieder Sinn.

Laut WBF-Strategie strebt die Schweiz „mit der Etablierung eines regelmässigen, strukturierten Dialogs mit der EU eine Stabilisierung sowie eine Weiterentwicklung der bilateralen Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse an.“

WBF und SECO wollen weitere Jahre mit den Leuten aus der EU im Kreis reden, ohne die seit langem bekannten Probleme des Bilateralismus anzusprechen, geschweige denn zu lösen.

Sie tun so, als ob man in Brüssel und Bern nicht während sieben Jahren unzählige Stunden auf Kosten der Steuerzahler mit Verhandlungen verbracht hätte.

Sie wollen einfach weiter reden, ohne inhaltliches Konzept. Das Ganze wird der Öffentlichkeit unter dem Label „strukturierter Dialog“ als politische Neuigkeit verkauft.

WBF und SECO folgen damit den Vorgaben des Aussenministers, FDP-BR Cassis.

Seit der Bundesrat das von WBF und EDA gemeinsam betriebene Integrationsbüro aufgehoben und den Lead in der Europapolitik dem EDA übertragen hat, bestimmt vorwiegend Ideologie statt Realismus, Sachkunde und Pragmatismus das politische Handeln der Bundesverwaltung im Verhältnis zur EU.

Die EU gilt nicht als Partner, sondern als politischer Gegner der Schweiz. Mitwirkung und Kooperation in den europäischen Gremien sind tabuisiert. Diese Gremien sind es aber, welche die Zukunft des Kontinents und damit auch jene der Enklave Schweiz bestimmen.

Interessen der Schweiz

Ihre Aussenwirtschaftsstrategie sei auf die Interessen der Schweiz fokussiert, erklären WBF und SECO.

Welche Interessen?

Beim Abbruch der Verhandlungen mit der EU am 26. Mai 2021 hat der Bundesrat die folgenden Partikularinteressen priorisiert:

  • Die Interessen von Gewerkschaften und Gewerbeverbänden, EU-Handwerksbetriebe aus benachbarten Ländern vom schweizer Markt fernzuhalten und die Einnahmen aus ihren Arbeitsmarktkontrollen nicht zu verlieren.

  • Das Interesse der SBB, EU-Bahnunternehmen vom schweizer Markt fernzuhalten.

  • Das Interesse der kantonalen Regierungen, weiterhin einzelne Unternehmen mit Steuern, Subventionen und Monopolen privilegieren zu können.

  • Das Interesse fremdenfeindlicher Politiker, EU-Bürgern, die seit mehr als fünf Jahren rechtmässig in der Schweiz leben und arbeiten, Sozialleistungen vorzuenthalten.

WBK und SECO wissen, dass diese protektionistischen Interessen, weil diskriminierend, dem europäischen Recht widersprechen.

Gerne hätte man erfahren, weshalb der Bundesrat sie höher gewichtet als das Interesse der Schweiz am geregelten Zugang zum europäischen Binnenmarkt und höher als die Kooperation der schweizer Forschungs- und Bildungsinstitutionen mit Europa.

Es handelt sich um rechtsnationale Glaubenssätze und Partikularinteressen von Verbänden, die nach Ansicht der aktuellen SVP/FDP-Regierung nicht diskutiert werden dürfen.

Der Bundesrat rühmt die Schweiz gerne als offene Volkswirtschaft, die sich dem Wettbewerb stellt. Getan hat er mit seinem Abbruchbeschluss vom 26. Mai 2021 das Gegenteil.

WBF und SECO sagen in ihrer Strategie zur Aussenwirtschaftspolitik dazu nichts.

Bis zur Pensionierung Aussitzen

WBF und SECO wollen – wie die bundesrätliche SVP/FDP-Koalition - den Konflikt mit der EU weiter vor sich her schieben, jedenfalls bis zur Pensionierung der verantwortlichen Entscheidungsträger.

Ein Konzept, das schon das ETH-Gutachten Ambühl/Scherer vom 2. Februar 2021 verfochten hat. Das Gutachten hat am 26. Mai 2021 wesentlich zum Abbruchbeschluss der SVP/FDP-Regierung beigetragen.

Lösungsvorschläge für die konkreten Fragen – wie sie die EU seit langem erwartet – werden in der Strategie zur Aussenwirtschaftspolitik keine präsentiert und sind offenbar auch nicht erwünscht.

Das gilt vor allem für die Einhaltung des gemeinsamen, mit den bilateralen Verträgen ab 1999 vereinbarten europäischen Rechts. Davon will die SVP/FDP-Regierung nichts wissen.

Das WBF wiederholt die Ansicht von EDA-Staatsekretärin Livia Leu, man könne statt mit den Organen der EU mit einzelnen Mitgliedstaaten verhandeln, obwohl die EU-Organe für den europäischen Binnenmarkt zuständig sind.

Mit der Wiederholung wird die Ansicht nicht überzeugender. Verhandeln mit Unzuständigen ist Zeit- und Geldverschwendung.

Patentrezept Äquivalenz

Erneut wird die Idee von FDP-BR Keller-Sutter, Vorsteherin des Justizdepartementes, propagiert.

Die Schweiz soll - ohne Vertrag - unilateral das EU-Recht übernehmen und ins schweizer Recht integrieren. Allerdings meinen WBF / SECO dazu, dass diesem Ansatz Grenzen gesetzt seien, da er ohne Äquivalenzanerkennung seitens der EU-Organe nichts nützt.

Die EU-Kommission wird auf Begehren der Schweiz, jetzt nach einseitigem Abbruch der Verhandlungen nur dann Äquivalenzanerkennungen für schweizer Recht aussprechen, wenn es im vitalen Interesse der EU liegt. Im Übrigen wird sie Äquivalenzanerkennungen ablehnen.

Das weiss auch die SVP/FDP-Regierung. Wenn trotzdem solche Vorschläge kommen, bezwecken sie die Beruhigung des schlecht informierten einheimischen Publikums.

Die einseitige Rechtsübernahme ohne Mitbestimmungsrechte ist zudem demokratiepolitisch bedenklich. Darüber werden keine Worte verloren.

Unverdrossen Cherry-Picking

Das WBF meint, die Aufdatierung der bestehenden Abkommen müsse von der Schweiz regelmässig geprüft werden. Dass es dazu den Vertragspartner braucht, bleibt ohne Erwähnung.

Alle drei massgebenden EU-Organe, EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission, haben eine Aufdatierung alter Abkommen und den Abschluss neuer Abkommen abgelehnt, solange die Schweiz das gemeinsame europäische Recht nur selektiv anwenden will, soweit es für sie vorteilhaft ist.

Für eine Strategie ist es ein Armutszeugnis, wenn man sich mit der Position des wichtigsten Aussenhandelspartners mit keinem Wort auseinandersetzt und sich nicht um die Grundlagen und das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts kümmert, an dem man beteiligt bleiben will.

Die WBF-Strategie propagiert im Verhältnis zum europäischen Binnenmarkt unverändert das einseitige nationale Cherry-Picking, obwohl die Schweiz und Grossbritannien damit aufgelaufen sind.

WBF und SECO bleiben mit ihrem Paper zusammen mit ihrem Chef aus der SVP, BR Guy Parmelin, in der rechtsnationalen Ecke stecken.

04.01.2022

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