Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Die Angst der Banker vor Amerika



Weltweite US-Steuerpflicht

Dass der US-Fiskus bei US-Staatsbürgern, ungeachtet wo sie wohnen, weltweit US-Steuern einziehen will, ist ein Faktum. Er möchte daher auch wissen, wo weltweit US-Bürger und andere US-Persons welches Geld auf welchen Bankkonten haben.

Ebenso ist Realität, dass den USA einige Macht- und Einschüchterungsmittel zur Verfügung stehen und sie mit Personen, die US-Gesetze verletzen, selektiv wenig zimperlich umgehen können.

Bankkonten, Bankdepots und Banksafes in der Schweiz

Tatsache ist auch, dass US-Bürger und andere US-Persons – im Zeitalter des Internets und des freien Kapitalverkehrs – in der Schweiz Bankkonten eröffnen können und Schweizer Banken nach geltendem Schweizer Recht sich bei ihren in- und ausländischen Kunden nicht erkundigen und nicht erkundigen müssen, ob das auf dem Konto deponierte Geld in den USA versteuert ist oder nicht.

Die UBS (und andere Banken) bauen ab Mitte der 90er-Jahre auf diesen Fakten ein Geschäftsmodell auf, gehen damit auf US-Territorium gezielt und organisiert auf Kundenfang und verdienen, unter Ausnützung des grenzüberschreitenden CH-Bankgeheimnisses, im grossen Stil Geld.

Bradley Birkenfeld

Alles läuft glänzend, bis der frustrierte UBS-Mitarbeiter Bradley Birkenfeld 2007 den Amerikanern in die Fänge gerät und ihnen im Detail den steuergünstigen UBS-Business-Case, der unter Ausnützung des grenzüberschreitenden CH-Bankgeheimnisses abläuft, verrät. Am Schluss erhält er dafür 100 Millionen und kauft sich ein französisches Schloss.

Zunächst glaubt die UBS-Führung, die Sache lasse sich als Einzelfall mit Hilfe von Anwälten auf der unteren Etage erledigen.

US-Haftbefehl gegen UBS-CEO Global Wealth

Am 12.November 2008 klagen US-Staatsanwälte Raoul Weil, UBS- CEO Global Wealth Management + Business Banking, an. Und der Richter in Florida stellt Ende Jahr gleich einen internationalen Haftbefehl aus.

Jetzt bricht im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung Panik aus: Naturgemäss will kein Spitzenmanager der Bank in einem US-Gefängnis landen oder die Schweiz nicht mehr verlassen können.

Im Januar/Februar 2008 denken sich Anwälte und Berater gegen gutes Honorar eine klassische Abwehrstrategie aus:

  • Von den Auftraggebern vorgegebenes Ziel ist der Schutz und Freikauf des oberen Bankmanagements von US-Haftbefehlen und Geldstrafen.
  • Weil dieses Ziel nicht kommunizierbar ist, wird eine massive Bedrohungskulisse für die Banken und die schweizerische Volkswirtschaft aufgebaut und über alle Kanäle verbreitet.
  • Die Medien spielen eine wichtige Rolle: sie müssen immer wieder, vor allem vor Entscheiden der schweizer Behörden, mit Nachrichten aus „informierter Quelle“ gefüttert werden, wonach die Schweizer Volkswirtschaft wegen Milliardenforderungen und drohenden Bankzusammenbrüchen vor dem Nichts stehe.

Mit Hilfe der Drohkulisse soll die schweizer Regierung dazu bewegt werden, dem US-Fiskus andere Opfer (Kunden, Mitarbeiter und Dritte) ersatzweise zu liefern, damit dieser und die US-Justiz in Erwartung des Geldsegens dem Freikauf des Bankmanagements zustimmt, die drohenden Haftbefehle zurücknimmt und auf Strafen verzichtet.

Die Strategie funktioniert und funktioniert grundsätzlich heute noch.

Erster Akt :
Finma tritt zugunsten der UBS-Konzernspitze in Aktion

Die Finma lässt im Februar 2009 die schweizerische Öffentlichkeit wissen, sie habe keine Anzeichen für ein Mitwissen der obersten Organe der Bank betreffend den von Bradley Birkenfeld den US-Behörden geoffenbarten US-Business-Case gefunden.

Die USA beurteilten den US-Business-Case nach US-Recht als Steuerbetrug. Die UBS-Konzernspitze hat diese Beurteilung am 18. Februar 2009 anerkannt.

Nach Ansicht der Finma wussten über das US-Geschäft und die dortigen Methoden der UBS-Kundenakquisition nur untere Chargen Bescheid. Die Geschäftspraktiken in USA und die damit verbundenen hohen Risiken nach US-Recht wurden den Oberen durch die unteren Chargen und die internen Kontrollorgane nicht gemeldet.

Eine erstaunliche Beurteilung der Führung einer internationalen Bank und deren Kenntnisse über das lukrativste Geschäftsfeld und dessen Risiken.

Ausserdem lehnte die Finma Massnahmen gegen Verantwortliche aus dem oberen Management ab, weil damit den Amerikanern Material für Verhaftungen von UBS-Bankern in die Hände fallen könnte.

Landesverteidigung ist angesagt.

Merkwürdig bleibt, dass die Finma auch nach der UBS-Geschichte, also nach 2009, nicht eingreift, obwohl Banker sorgfaltswidrig nach dem UBS-Fall den US-Business-Case mit dem Geschäftsmodell, das den US-Behörden als Steuerbetrug gilt, ungerührt unter dem Schutz der Landesverteidigung weiter betreiben.

Mit der Haltung der Finma waren die Banken in der Schweiz nach Schweizer Recht aus dem Schneider. Das Nichthandeln der Finma in der Schweiz dürfte indessen die Aggressivität des US-Fiskus erheblich gefördert haben.

Am 3. Januar 2013 bekannte sich auch die St.Galler Bank Wegelin + Co. bei den US-Behörden der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig. Sie hatte eine Busse von 74 Mio. US-Dollar zu zahlen. In der Schweiz verschwand die Bank von der Bildfläche.

Das Deferred Prosecution Agreement
der UBS-Konzernspitze vom 18.02.2009

Um der US-Strafverfolgung zu entgehen, geht es für die UBS-Konzernspitze im Februar 2009 darum, mit aktiver Hilfe der Finma dem US-Fiskus als Ersatzlösung persönliche Daten von Kunden, Mitarbeitern und Dritten – den Ersatzopfern – zu liefern.

Aus Angst vor der US-Strafverfolgung schliesst die UBS-Konzernspitze am 18. Februar 2009 mit dem US-Fiskus ein Abkommen ab (Deferred Prosecution Agreement):

  • Darin anerkennt sie, dass die UBS AG die USA durch gemeinsames Vorgehen mit Bankkunden um Steuereinnahmen betrogen hat.
  • Weiter verpflichtet sie sich, den US-Behörden 780 Mio. Dollar zu bezahlen und künftig auf das grenzüberschreitende Geschäft mit US-Kunden zu verzichten.
  • Schliesslich verpflichtet sie sich, dem US-Justizdepartement Kundendaten herauszugeben.

Unter der Bedingung der Einhaltung aller Punkte erklärt sich das US-Justizdepartement laut Agreement bereit, auf eine Strafverfolgung der UBS-Konzernspitze zu verzichten.

Zur Umsetzung der dritten von der UBS-Konzernspitze eingegangenen Verpflichtung verfügt die Finma noch am 18. Februar 2009, die UBS habe Daten ihrer Kunden den US-Behörden zu übergeben.

Gleichentags - ohne die gerichtliche Überprüfung der Verfügung abzuwarten - gehen die ersten Kundendaten nach Amerika.

Der US-Fiskus fordert tags darauf, am 19. Februar 2009, die Herausgabe der Daten von 52‘000 UBS-Kunden.

Das Bundesverwaltungsgericht stoppt die Pläne

Leider – aus Sicht der Strategen der Strafbefreiungs-Pläne - macht das Bundesverwaltungsgericht nicht mit: die Finma-Verfügung, die der Bank die Lieferung der Ersatzopfer nach Amerika erlaubt, wird am 7. Januar 2010 als gesetzwidrig aufgehoben.

Drei Tage später wird Botschafter Michael Ambühl Finanzstaatssekretär.

Als einziges Bundesorgan lässt sich das Bundesverwaltungsgericht durch die eifrig geschürte Drohkulisse nicht über den Tisch ziehen. Aber es bleibt ein Zwischenspiel, weil die Schweizer Exekutive ganz anders reagiert.

Auf Beschwerde hin ist sich das Bundesgericht nicht zu schade, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts am 15. Juli 2011 unter Berufung auf Notrecht aufzuheben und der UBS die Auslieferung der Ersatzopfer an den US-Fiskus zu gestatten.

Die drohende Verhaftung von schweizer Bankmanagern durch US-Behörden wegen Verletzung von US-Gesetzen ist aus Sicht des obersten Gerichts offenbar ein nationaler Notstand. Seine Abwendung rechtfertigt Notrecht zulasten Dritter.

Kein Ruhmesblatt der schweizer Rechtsprechung, vielmehr ein Kniefall der Justiz eines Kleinstaates.

Zweiter Akt: Das Finanzdepartement geht in die Knie

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bringt das Finanzdepartement unter BR Widmer-Schlumpf (ehemals SVP, jetzt BDP) und Finanzstaatssekretär Ambühl auf Trab.

Die Drohkulissen-Strategie schlägt bei den führenden Leuten der Bundesverwaltung wie eine Bombe ein und hat die erwartete Wirkung. Ohne Verzug werden dringliche Gesetze und Verträge auf den Weg gebracht, um die geltende Rechtsordnung für die Lieferung der Ersatzopfer rückwirkend „gerichtsfest“ zu ändern.

Das Aushebeln der Gerichte durch die Exekutive vermerkt das interessierte Ausland, nicht nur in den USA, mit Erstaunen und Interesse. Solches wäre weder in den USA noch in der EU möglich.

In den Kommissionszimmern des Parlaments geht die Angst um. Flaut sie einmal ab, kehrt ein entsandter Schweizer Beamter aus Amerika zurück und berichtet Schreckliches.

U.a. kursiert die Geschichte von Arthur Andersen. Diese weltweit tätige grosse Treuhandgesellschaft sei vom US-Justizdepartement vernichtet worden. Ihr CEO sei verurteilt und in oranger Gefängniskleidung mit Ketten an den Füssen im US-TV vorgeführt worden.

Ein Schreckensbild für schweizer Bankmanager, die hierzulande kaum je auch nur eine diskrete Busse erhalten, schon gar nicht wegen Beihilfe zu Steuervergehen. Öffentlich zur Rechenschaft gezogen werden sie vom Staat Schweiz nie.

Banker in Angst, Hilfe von Politik und Verwaltung

Das gesamte betroffene Bankmanagement stimmt den dringlichen Gesetzen zur Auslieferung von Kundendaten an den US-Fiskus sofort zu. Sonst steht der Zusammenbruch steht vor der Tür. Selbstverständlich geht es um das Wohl der schweizer Volkswirtschaft.

Der US-Fiskus, das betroffene Bankenmanagement und deren Anwälte, hier und in den USA, arbeiten fortan koordiniert, jeder um möglichst viel aus der Situation für sich herauszuholen, aus Datenlieferungen Geld für den US-Fiskus, US-Strafbefreiung für das schweizer Bank-Management.

Und sie sind recht erfolgreich.

Tonnenweise Dossiers mit tausenden von Namen und persönliche Daten von Kunden, Mitarbeitern, Familienangehörigen, Dritten, auch Unbeteiligter, liefert die Bundesverwaltung mit dem Segen von Bundesrat und Parlament per Flugzeug nach Amerika.

Dort werden Computer gefüttert, die Listen mit tausenden, nunmehr als verdächtigt markierten Personen ausspucken. Viele wissen davon nichts, merken es vielleicht in Zukunft, wenn sie plötzlich an einem Flughafen irgendwo auf der Welt aufgehalten werden.

Der US-Fiskus befreit als Gegenleistung die Spitzenbanker von der US-Strafverfolgung.

Finanzdepartement forciert neues DBA US/CH
mit ausgebauter Steuer-Amtshilfe

Das Finanzdepartement unter BR Widmer-Schlumpf, orchestriert vom Management der betroffenen Banken, peitscht im Herbst 2009 ein neues Doppelbesteuerungsabkommen CH/USA (DBA) mit ausgebauter Steuer-Amtshilfe dringlich durch das Parlament.

Auf koordinierten Druck des US-Fiskus und des betroffenen Bankenmanagements verlangt BR Widmer-Schlumpf im Herbst 2011 ergänzend zum DBA zusätzlich noch eine einseitige Ausweitung der Steuer-Amtshilfe, natürlich wiederum dringlich.

Beide Male im Parlament mit der Ansage, wenn ihr Nein sagt, brechen die Schweizer Banken zusammen und das Volksvermögen geht den Bach runter, wenn ihr Ja sagt, ist es der ersehnte Schlussstrich.

Die Angst der Mehrheit vor der Brutalität der Amerikaner beherrscht die Sitzungssäle der Eidgenossenschaft. Jeder und jede weiss noch eine blutige Geschichte.

Geht der Stoff aus, kommen neue Geschichten aus der Bankenlobby.

Professionell zielgenau und termingerecht werden sie als Medienfutter platziert, da und dort noch ein „Experte“, ein „Professor“ oder ein „Kenner der Lage“, meist aus dem Bankenlager, beigemischt.

Die Instrumentalisierung funktioniert. Die Mehrheit der verantwortlichen Parlamentarier leistet keinen Widerstand.

US-Senat will von einem neuen DBA US/CH mit ausgebauter Steuer-Amtshilfe nichts wissen

Paradox ist, dass die koordinierte Strategie, mit ausgebauter Steuer-Amtshilfe an die USA CH-Banker vor einer möglichen US-Verhaftung zu bewahren, ausgerechnet im US-Senat zu scheitern droht.

Dort will man – aus welchen Gründen auch immer – dem geänderten schweizerisch-amerikanische Doppelbesteuerungsabkommen (DBA US/CH), das der Steuer-Amtshilfe Tür und Tor öffnet, partout nicht zustimmen – und das nun seit vier Jahren.

Der legale Weg in der Schweiz weiter massenhaft an die Daten von US-Bürger und andern Personen heranzukommen, ist damit dem US-Fiskus versperrt.

Vielleicht fürchtet der US-Senat das Öffnen der Pandora-Büchse. Die USA müssten Tür und Tor konsequenterweise auch den Chinesen und andern Autokraten öffnen, wenn sie das Präjudiz in einem DBA mit der Schweiz setzen.

Der grosse Einsatz von BR Widmer-Schlumpf, dem US-Fiskus mit dringlichen Bundesbeschlüssen zu einem neuen DBA die Tore zu schweizer Personendaten aus den Steuerakten weit zu öffnen, blieb bisher erfolglos.

Neue Ideen nach dem Scheitern des DBA

Weil der legale Weg über das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) versperrt ist, kommen die Anwälte und Berater des betroffenen Bankenmanagements auf neue Ideen.

Denn: werden die Daten dem US-Fiskus nicht geliefert, lebt nach dem Deferred Prosecution Agreement der UBS vom 18.02.2009 die US-Strafverfolgung der UBS-Spitzenbanker wieder auf.

Das Problem "US-Senat" soll in der Schweiz mit Hilfe des schwächsten Glieds umgegangen werden: dem Finanzdepartement.

Der Plan sieht so aus: Ohne das im US-Senat blockierte DBA und ohne Gesetz soll die Schweizer Exekutive dem US-Fiskus erlauben, hier in der Schweiz wie eine Schweizer Behörde zu handeln, Dossiers und Daten nach Bedarf heraus zu verlangen und Geld einzuziehen.

Nach kurzem Zögern willigt das Finanzdepartement ein und schlägt dem Bundesrat im Frühjahr 2012 vor, einer ersten betroffenen Bank zu erlauben, wie eine Behörde für den US-Fiskus tätig zu sein.

Nach Strafgesetzbuch ist das in der Schweiz verboten und unter Strafe gestellt. Der Bundesrat kann aber Ausnahmen machen – und er tut es zugunsten des US-Fiskus und des UBS-Bankmanagements auf Empfehlung des Finanzdepartements.

Die schweizerische Rechtsordnung (Kundenschutz, Mitarbeiterschutz, Datenschutz etc.) und die Blockade des DBA im US-Senat sollen damit unterlaufen werden, um die UBS-Konzernspitze vor einer US-Strafverfolgung zu bewahren. .

Das Finanzdepartement unterschätzt die Folgen der bereitwilligen Hilfe: um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, liefert das Bankmanagement nicht nur Daten über US-Persons aus, sondern jede Menge Daten über eigene Mitarbeiter und über Drittpersonen ausserhalb der Bank, auch über Unbeteiligte.

Auch diese Daten landen in amerikanischen Computern und werden dort zu Verdächtigtenlisten verarbeitet.

Kollateralschäden

Kollateralschäden für Dritte müssen in Kauf genommen werden, denken sich die Strategen, wenn man das primäre Ziel erreichen will, das Bankmanagement von drohender Strafverfolgung in USA freizukaufen.

Als nächster Schritt ist geplant, die praktische Lösung zum Standard zu machen. Der US-Fiskus setzt ein Programm auf, in dem detailliert festgelegt ist, welche Ersatzopfer (in Personendaten und Geld) aus der Schweiz zu liefern sind, damit die Bankmanager vor Haftbefehlen verschont bleiben.

Das betroffene Bankenmanagement seinerseits sorgt sich mit vielen Helfern um einen kräftigen Ausbau der Drohkulisse in der Schweiz auf allen Kanälen. Dementsprechend werden die Medien „aus gut unterrichteter Quelle“ mit Primeurs über die Daumenschrauben der Amerikaner gefüttert.

Ein Schaudern geht durch die wohltemperierten schweizerischen Wohnstuben.

Bankmitarbeiter auf unterer Ebene werden geopfert

Jetzt aber will das Finanzdepartement plötzlich nicht mehr recht. Die Auslieferung gewöhnlicher Bankmitarbeiter an die USA alarmiert die politische Linke. Sie entzieht dem Finanzdepartement die bisher gewährte empathische Zuwendung.

Das Finanzdepartement will nicht mehr allein verantwortlich sein. Anderseits hält es den koordinierten Druck des betroffenen Bankmanagements und des US-Fiskus nicht aus. Daher muss der Gesetzgeber mit ins Boot: ein dringliches Sondergesetz muss her.

Wieder pilgern hohe Beamte aus dem Finanzdepartement zum US-Fiskus nach Amerika und kommen mit Schreckensnachrichten, aber auch mit Heilsversprechen zurück nach Bern.

Sondergesetz für den US-Fiskus

Das Heilversprechen lautet: Wenn der US-Fiskus von den Banken hier in der Schweiz ein Jahr lang alles, was er will, haben kann, sind wir gerettet, sonst gehen wir unter. Wir dürfen aber nicht sagen, was der US-Fiskus hier in der Schweiz alles verlangen und machen wird.

Mit diesem Inhalt bringt BR Widmer-Schlumpf ein dringliches Sondergesetz auf den Weg. Artikel 271 des Strafgesetzbuches, der solches unter Strafe stellt, soll für ein Jahr ausser Kraft gesetzt werden. Und: die Gerichte bleiben aussen vor. Eine rechtsstaatlich vergiftete Frucht der geschürten Angst.

Wichtiger Bestandteil der Strategie ist das Dringlichkeitsverfahren in den eidgenössischen Räten:

  • Zum einen erlaubt es eine starke zeitliche und quantitative Verdichtung der notwendigen Drohkulisse in den Medien und den Ratssälen, um im Publikum und bei den Räten die Angst vor Wohlstandsverlust zu verstärken.
  • Zum Zweiten behindert es eine seriöse sorgfältige Prüfung des Sondergesetzes im Blick auf die angegriffene Rechtsstaatlichkeit der Schweiz.
  • Zum Dritten wird die Referendumsmöglichkeit beseitigt, was wegen der gefürchteten Unwilligkeit des Stimmvolkes, Bankmanager zu retten, besonders wichtig ist.

Im Juni 2013 geht die Strategie beinahe auf. Die zweite Kammer des Parlaments, der Ständerat, ist – wie in den früheren Durchgängen - von der Drohkulisse enorm beeindruckt.

In Angst vor dem brutalen Amerika winkt eine Mehrheit das Sondergesetz durch. Bestärkt durch das Finanzdepartement, damit sei endlich - der wiederholt versprochene – Schlussstrich gezogen, eine Alternative gebe es nicht. Der Schlussstrich bleibt indessen auch dieses Mal wohlfeile Illusion.

Im Nationalrat läuft die Strategie unerwartet auf Grund, weil die Linke dem Finanzdepartement – aus welchen Gründen auch immer - die bisher gewährte Unterstützung entzieht. Die bisher so erfolgreichen Strategen haben überreizt.

Rechtsstaatlichkeit

Eisernes Festhalten an der Rechtsstaatlichkeit – auch wenn es stürmt – ist das einzige Rezept eines kleinen Landes in einer Auseinandersetzung mit Amtsstellen der Grossmacht USA und dem mächtigen Bankmanagement im eigenen Land.

Dieses Pfand hat die Regierung im Februar 2009 für die Rettung des UBS-Managements vor der US-Strafverfolgung aus der Hand gegeben und bis heute nicht zurückgewinnen können. Im Gegenteil: dem Präjudiz folgten weitere, schlimmere.

Der Weg zurück zur Rechtsstaatlichkeit ist angesagt, auch wenn in Amerika der eine oder andere Bankmanager vor den Kadi gestellt wird und in der Schweiz die eine oder andere Bank Geld abführen muss oder ihre Geschäfte nicht wie gewohnt weiter führen kann.

Wenn der US-Senat das Doppelbesteuerungsabkommen ratifiziert, steht dem US-Fiskus ein komfortables Amtshilfe-Verfahren zur Verfügung, um alles über US-Persons in der Schweiz in Erfahrung zu bringen.

Es besteht für den Bundesrat kein Anlass, erneut andere rechtsstaatlich fragwürdige Wege zu beschreiten.

22.06.2013

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